Worum geht es in der sechsteiligen Serie "Die Quelle des Bösen" und welche Rolle spielst du?
Unsere Serie spielt in einer kleinen Stadt in der ehemaligen DDR, die fiktive Kleinstadt Wussnitz. Ich spiele Ulrike Bandow, eine, wie ich finde, ziemlich coole Frau, die aber auch ein bisschen enttäuscht vom Leben ist. Zumindest war es bestimmt nicht ihr großer Traum für immer in Wussnitz zu bleiben, aber es gab da ein gewisses Verantwortungsgefühl, dass ihr das Weggehen unmöglich gemacht hat. Ulrike ist Hauptkommissarin. Sie ist da in die Fußstapfen ihres Vaters getreten und soll jetzt einen neuen Kollegen aus dem Westen bekommen, den Koray Larssen, auf den sie überhaupt kein Bock hat und der eine sehr große Nase hat - das sagt Fahri selbst. Ich finde seine Nase völlig in Ordnung (lacht). Und wie so oft kommt das Unglück nicht allein. An dem Tag, an dem der neue Kollege ankommt, gibt es einen Leichenfund im Dohlenwald, also in der unmittelbaren Umgebung von Wussnitz. Und ab da beginnt die Suche nach dem Täter, nach Antworten, und es tun sich immer mehr Abgründe auf, die diese Kleinstadt Wussnitz über Jahre verschwiegen hat. Und auch Ulrike, die aus dieser Gegend kommt und ihr ganzes Leben da gelebt hat, muss ganz tief in ihrer eigenen Vergangenheit graben. Diese ganze Stadt erlebt eigentlich eine Wurzelbehandlung. Und es wird schnell klar, dass das Böse auch immer eine Grundlage braucht, um existieren zu können und dass die Suche nach den Quellen des Bösen viel wichtiger ist als die Suche nach dem Bösen selbst.
Die Serie ist spannungsgeladen und düster, aber auch eine kleine Zeitreise in die Neunzigerjahre. Polizeiarbeit ohne Handys und Internet und erst in den Anfängen der DNA-Analyse. Auch gute alte Telefonzellen kommen zum Einsatz - ein Retro-Krimi?
Ich würde sagen ja, also für mich auf jeden Fall. Ich habe nicht so einen Bezug zu den Neunzigern und auch für mich ist es wirklich eine Zeitreise in eine zwar nicht so unbekannte Zeit, aber ich musste das alles so annehmen. Ich hatte Kolleginnen, die tatsächlich ins Set und in die Räume kamen und gesagt haben: genau so war’s. Ich konnte das natürlich nur zulassen und sagen: ja ich glaube schon, dass das gut recherchiert ist. Es fühlt sich glaubhaft an. Die Telefonzelle war sehr viel bespielt von Fahri. Aber ich hatte ein lustiges kleines Auto. Man bekommt auf jeden Fall 90s Feeling in diesem Thriller.
Viele Schauspieler:innen berichten von einer engen Verbindung zu ihren Charakteren. Würdest du gerne einen Tag lang in die reale Welt deines Kommissarin Charakters wechseln können?
Auf keinen Fall. Es gibt tatsächlich bei Ulrike Bandow, so sehr ich diese Frau liebe und so sehr ich diese Rolle gerne gespielt habe, nichts, um das ich sie beneide. Ich finde es spannend, diesen Charakter anzunehmen und auszuleben, wenn die Kamera läuft, aber zwischen den Takes und außerhalb der Dreharbeiten möchte ich lieber ich selber sein.
Oft müssen Kommissar:innen in Krimiserien schwierige Entscheidung treffen, die das Leben anderer Menschen beeinflussen. Gibt es eine Entscheidung deines Charakters, die du persönlich anders getroffen hättest. Wie würde sich auf das auf den Verlauf der Serie auswirken?
Das ist immer leicht, wenn man mit dem Blick von außen auf das schaut, was passiert. Ich habe ja das Buch gelesen, daher weiß ich, welche Entscheidung klug und welche Entscheidung nicht klug war. Das wäre zu einfach zu sagen: Das hätte ich anders gemacht und das würde sich dadurch verändern. Ich finde auch ehrlich gesagt, dass Ulrike schon jemand ist, die sehr ihrem Instinkt nachgeht und dadurch auch immer ziemlich schnell in der Handlung ist. Sie ist nicht jemand, der erstarrt, sondern immer ins Progressive geht und dadurch natürlich auch Fehler macht, aber diese Fehler führen trotzdem immer zu Veränderung und das ist eben genau das, was da in dieser Kleinstadt Wussnitz und Umgebung passieren muss, dass dieses ganze Verkrustete und dieses jahrelang Erstarrte sich verändert. Dadurch bringt sie alles in Bewegung und deswegen würde ich jede Entscheidung, die Ulrike getroffen hat, unterstreichen.
Was ist für dich typisch aus der Zeit? Wie sieht dein Serien Outfit aus? Wo und wie konnte ein so detailgetreues Set gefunden beziehungsweise zusammengestellt werden?
Mein Outfit ist meistens Jeans, diese klassischen Mom Jeans. Ulrike ist immer eher funktional angezogen. Sie hat verschiedene Wollpullis an, die sich auch alle in so einem gräulich beigen Ton bewegen und so aussehen, als hätte sie die entweder mal von ihrer Mutter geerbt oder eben auch schon sehr lange. Ich mochte mein Outfit und meine Frisur. Ich fand es sehr stimmig. Eine Figur, die nicht so sehr darauf achtet, wie sie aussieht und vielleicht auch nicht so oft in den Spiegel guckt.
Für mich typisch 90s kann ich tatsächlich nicht so gut sagen. Dieses Gefühl, was ich hatte in dieses Set reinzugehen und diese Welt, die da zu uns gebaut wurde, war wahnsinnig toll. Das war ein großes Geschenk und hat mir auch viel für meine Rolle und mein Spiel gegeben.
Du schlüpfst das erste Mal in die Rolle einer Kommissarin. Ein Traum Job?
Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sage, aber mein Traumjob ist Schauspielerin. Ich würde nicht gerne Kommissarin sein. Ich glaube, das würde mir überhaupt nicht liegen. Eine Kommissarin zu spielen ist jetzt auch nicht unbedingt mein Traumjob, aber ich habe es schon sehr gerne gemacht, das liegt aber auch viel an Ulrike Bandow und daran, dass diese Rolle so vielschichtig und feinfühlig erzählt ist. Ich durfte so viel spielen und so viel sein und ehrlich gesagt genieße ich es auch, erwachsenere Rollen spielen zu dürfen. Ich werde immer eher jünger geschätzt, als ich bin und dieses Feedback bekomme ich auch viel nach Castings, dass ich zu jung oder zu jugendlich wirke. Meine Ulrike ist eine erwachsene, eigenständig und starke Frau geworden. Das macht mich glücklich.
Die Rolle der Kommissarin Ulrike Bando ist auch physisch stark gefordert. Hattest du ein Stunt Double am Set?
Ja, das Stuntteam Germany war mit uns auf dieser Reise und ich hatte auch ein tolles Stunt Double: Cecilia. Stunts selber machen, ist immer so eine Versicherungsfrage. Ich finde es aber toll, wenn genug Zeit ist, um bestimmte Stunts zu lernen, weil ich finde, dass es einem immer auch ein Stück weit vom Spiel wegnimmt, wenn man gedoubelt wird. Wir hatten sehr lustige Doubleprobetage mit dem Stuntteam, wo wir die Stunts erarbeitet und geübt haben. Und wenn ich diese Bewegungsabläufe verinnerlicht und mich dann am Set trotz des Stunts voll und ganz auf Spiel konzentrieren kann, dann macht mir das richtig Spaß. Trotzdem war ich in vielen Momenten sehr dankbar, dass Cecilia da war und dass sie das ein oder andere für mich übernommen hat.
Dein Serienpartner ist Fahri Yardım. Kanntest Du ihn schon vorher? Was zeichnet ihn als Schauspieler aus? Beziehungsweise wie war eure Zusammenarbeit? Wie war die erste Begegnung?
Wir waren mal zusammen in der gleichen Agentur und er erzählt immer die Geschichte, dass er auf mehreren Empfängen versucht hat, mit mir Kontakt aufzunehmen und ich ihn angeblich komplett ignoriert hätte. Ich kann mich daran wirklich nicht erinnern. Ich kann mich aber daran erinnern, dass ich relativ unbeeindruckt war von dieser ganzen Film-Welt und ich kann mir tatsächlich auch vorstellen, dass ich nicht so richtig wusste, wer er ist (lacht). Es war auf jeden Fall keine Absicht, ihn zu ignorieren, aber es fehlte wahrscheinlich so eine Faszination von mir in seine Richtung. Wir haben uns dann eigentlich bei dem Casting das erste Mal richtig kennengelernt und ich fand die Arbeit da sehr angenehm. Wir haben uns die Zeit genommen und an den Szenen gearbeitet und er hat mir auch sehr geholfen. Der Regisseur Stephan Rick war selber nicht da. Er war per Zoom zugeschaltet aus LA und das war auch eine sehr lustige, skurrile Situation, dass er so als Bildschirm in der Ecke hing. Fahri war zu dem Zeitpunkt schon fest besetzt und hat für mich angespielt. Er ist einfach ein sehr feiner Mensch. Sehr klug und auch emotional sehr klug. Er weiß in den richtigen Momenten Feingefühl zu zeigen. Ich habe mich mit ihm als Partner in dieser Serie sehr wohl und sehr gut aufgehoben gefühlt. Es war eine schöne Zusammenarbeit.
Welche ist deine liebste Szene aus der Serie?
Da gibt es ein paar. Also unser allererster Drehtag war in Hamburg am Elbstrand und das war der Moment, wo Ulrike Bandow in den Westen fährt, um ihre Mutter zu besuchen und dann auf einer Party ist. Ich war da noch sehr fremd und auch ein bisschen aufgeregt - das finde ich auch übrigens sehr schön, dass das nie weggeht. Ich bin einfach immer am ersten Tag eigentlich bis zur ersten Klasse aufgeregt. Und es passte sehr in die Szene, weil Ulrike sich da auch in einer sehr fremden, sehr aufregenden Welt bewegt. Die Szene gehört auf jeden Fall zu meinen Lieblingsszenen.
Und es gibt ganz tolle Szenen mit Dubbe, Ulrikes Chef und auch eine Art Vaterfigur für sie, weil zwischen uns so eine Nichtkommunikation super funktioniert hat. Unsere Szenen waren zu Beginn eher dialoglastig, aber da ist dann in der Erarbeitung der Szenen immer mehr weggefallen. Teilweise reichten kurze Sätze und Blicke, einfach nur reinkommen und hinsetzen. Das hat mir wahnsinnig Spaß gemacht, weil das auch so eine große Vertrautheit braucht. Und weil es mit Jörg Witte auch wirklich wahnsinnig toll war, sich das zu erarbeiten. Es gibt eine Szene, wo wir irgendwann so lachen mussten und es war wirklich unangemessen an dieser Stelle zu lachen, aber wir konnten nicht aufhören und diese Szene ist so schön geworden. Alles, was ich da in mir sehe an Schmerz, an Trauer, an Wut, an Verzweiflung, an Anspannung. Ich weiß, dass das alles eigentlich nur Henriette ist, die sich mit aller Kraft versucht, das Lachen zu verkneifen. Diese Szene ist emotional total spannend.
Bleiben dir manche Szenen auch mal länger im Kopf und beschäftigen dich?
Mir bleiben emotionale Szenen, die körperlich auch belastend waren, manchmal stark im Gedächtnis. Zum Beispiel gibt es eine Szene, wo ich mit einer Handschelle an einer Wand gefesselt war. Das ist mir so in Erinnerung geblieben, weil während ich spielen sollte, dass ich mich da nicht befreien kann, ist mir plötzlich klar geworden, dass ich mich hier wirklich nicht befreien kann. Es gibt keinen Weg raus. Ich habe dann zu Max, unserem Innen-Requisiteur gesagt, dass ich den Schlüssel gerne bei mir hätte. Ich konnte nämlich nichts anderes mehr machen als daran zu denken, was alles passieren könnte. Ich habe dann einen Reserveschlüssel bekommen und konnte mich auch wieder aufs Spiel konzentrieren und damit hatte ich alles, was ich für die Szene brauchte: Ulrike weiß genau, dass sie diese Handschellen nicht aufkriegt und trotzdem versucht sie es mit aller Kraft. Diese Verzweiflung und diese Ausweglosigkeit sind mir in Erinnerung geblieben.
Die Serie ist voller Symbolik. Glaubst du persönlich auch daran, bist du abergläubisch?
Ich bin nicht abergläubisch. Ich finde es aber in der Serie spannend. Die Figur Ingrid hat gelernt diese Symbolik zu lesen, sie ist damit aufgewachsen. Ihr wurde das beigebracht. Und dadurch ist sie schneller als wir. Sie ist uns immer einen Schritt voraus und sie sagt meiner Rolle auch einmal: „Wenn du nicht an ihn glaubst, dann kannst du ihn auch nicht finden.“ Ich fand es so interessant, dass diese Symbolik auch eine Sprache ist. Und wenn man diese Sprache spricht, dann versteht man sich auch.