Was macht "Weil wir Champions sind" so besonders?
Alles! Das sagt man so oft, aber dieses Mal stimmt es wirklich. Das Thema ist ein besonderes und die Herangehensweise ist noch besonderer, weil wir überwiegend Darsteller haben, die das zum ersten Mal machen, und alle in verschiedenen Graden Assistenzbedarf haben – Downsyndrom, Autismus. Manche von ihnen waren sogar noch nie so lange von zu Hause oder aus ihrer gewohnten Umgebung weg. Das war für alle eine sehr große Herausforderung, aber auch eine faszinierende einmalige Arbeit. Das, was mit uns, dem Team, bei den Dreharbeiten geschah, sollte bestenfalls auch mit den Zuschauern passieren – dass wir uns annähern und erkennen, was es bedeutet, "anders" zu sein. Und was das überhaupt bedeuten soll. Gibt es das oder sind wir nicht alle, jeder auf seine Art anders. Das erforderte viel Fein- und Fingerspitzengefühl und eine große Empathie von jedem von uns. Fest steht: Alle waren mit großem Herzen dabei.
Was können die Zuschauer:innen aus dem Film mitnehmen?
Eine ganze Menge! Und nicht nur können, am besten sogar sollen, aber eigentlich dürfen. Eine dieser Aussagen ist bestimmt, dass wir zwar mittlerweile eine Reise zum Mond buchen können, aber nichts wissen über das Denken und Fühlen dieser besonderen Menschen, die keinen Platz in unserer Gesellschaft bekommen, aber direkt neben uns stehen. Und wieviel wir von ihnen lernen könnten, wenn wir uns wirklich auf sie einlassen würden. Wir sollten nicht einfach alles, was wir nicht sofort verstehen, in eine uns gängige Form pressen oder es komplett auszuschließen. Und wir sollten aufhören, ständig zu versuchen, jemand anderes zu sein und uns stattdessen frei von Bewertung und Urteil immer mehr dem annähern, was wir wirklich sind oder sein könnten. Diesen Schritt haben uns diese tollen Menschen auf jeden Fall voraus.
Wie war denn die erste Begegnung mit den anderen Schauspieler:innen?
Zunächst muss man wissen, dass dies ein Projekt mit intensivem Vorlauf war, das lange geplant werden musste. Auch, um herauszufinden, ob man Darsteller findet, die zum einen das richtige Alter haben und zum anderen musste das Wagnis mit allen Beteiligten abgewogen werden, ob man sie aus ihrer gewohnten Umgebung heraus in die besondere Arbeitswelt eines Filmdrehs hinführen könnte. Deshalb wurden z.B. vorab viele Szenen intensiv geprobt, damit sich der Regisseur Christoph Schnee und die Produktion sicher sein konnten, dass es so (oder so ähnlich) dann später am Set umsetzbar ist. Erst nach diesem Schritt kam ich dazu.
Die erste Begegnung war natürlich für alle aufregend und sehr herzlich. Von Beginn an war der Umgang etwas Einzigartiges. Wenn einem diese unverstellte Wahrhaftigkeit entgegenkommt, in der man sich völlig ehrlich spiegeln kann, entdeckt man viel Neues für sich. Ein absolut einzigartiges Projekt! Das ist etwas, was sich nicht viele trauen und an dem man sehr wachsen kann.
Haben Sie sich deswegen auch anders darauf vorbereitet als sonst?
Nein. Ich hatte von vornherein keine Berührungsängste und für mich gab es auch nie diese beurteilenden Begriffe wie "behindert" oder "eingeschränkt" – das ist eine klare Wertung, die sich nur auf die vielleicht nicht zu unserer Zufriedenheit entwickelten Fähigkeiten bezieht. Die Anmaßung, vorzugeben, was normal, richtig oder falsch ist, finde ich total falsch, denn sie versperrt uns die Erkenntnis, die Fähigkeiten dieser besonderen Menschen zu sehen und sie werden wiederrum gehemmt, diese frei zu entwickeln. Ich war total angetan, stolz und hoch erfreut, dass dieses Verständnis im gesamten Team vorhanden war. Wir haben hier unglaublich viel von ihnen gelernt. Außerdem war es dadurch sehr konzentriert und es herrschte ein besonders freundlicher Umgang am Set. Das ist ja leider nicht immer so.
Viele haben kaum Berührungspunkte mit Menschen mit Behinderungen. Wie war für Sie der Umgang mit den Schauspieler:innen?
Wie gesagt, ich habe mich sehr darauf gefreut. Du musst nicht immer nur sehen, was dein Gegenüber nicht kann, sondern sehen lernen, was er kann. Ich verneige mich vor jedem dieser Menschen, denn sie haben sich mit großem Mut und großer Freude in unsere seltsame Welt getraut. Trauen wir uns das auch?
Wie war ihre erste Begegnung dann am Set?
Meine Filmfigur, Andreas Ellgut, ist Profi-Basketballtrainer. Er ist sehr dominant, laut und nicht unbedingt emphatisch und hat vor allem überhaupt keinen Draht zu den Menschen, denen er plötzlich das Basketballspielen beibringen soll, im Gegenteil sogar, er hält sie nicht für vollwertig. Da das so ziemlich das Gegenteil von dem ist, wie die Darsteller mich als Menschen bei den Proben kennengelernt haben, war das für sie ein Schock. Auf einmal war ich so völlig anders ihnen gegenüber. Diese Abstraktion, dass ich einen anderen als mich selbst darstelle, musste ich ihnen immer mal wieder erklären. Außerdem waren sie, wie jeder, der zum ersten Mal vor der Kamera steht, unglaublich aufgeregt. Aber das gesamte Team hat sie sehr verständnisvoll und mit viel Respekt an die neuen Situationen herangeführt. Entscheidend war natürlich auch die Wahl des Teams für so ein einzigartiges Projekt. Ich hätte mir keinen besseren Regisseur als Christoph Schnee dafür vorstellen können. Er strahlte eine fast buddhistische, unermessliche Geduld aus und konnte ihnen hervorragend die Bestätigung und Ruhe vermittelten, die nötig war. Das, was wir uns eigentlich alle wünschen.
Wovor hatten Sie denn am meisten Respekt?
Mehr als Respekt war es vor allem Bewunderung für die Produktionsfirma, den Sender und alle angeschlossenen Anstalten, die sich getraut haben, ein solches Projekt in Deutschland anzugehen. Wir hecheln ja leider viel zu oft mutlos immer der Quote, dem Mainstream und dem, was die Leute angeblich sehen wollen, hinterher. Für dieses Projekt waren aber ganz andere Maßstäbe anzulegen. Wir würden uns alle wünschen, dass die Zuschauer nach dem Film neu bewerten, was wirklich wichtig ist im Leben und was vielleicht nicht. Sie bekommen einen Einblick in eine ganz andere, tolle Welt. Eine, die wahrscheinlich den wenigsten bekannt ist.
Für mich persönlich war es mindestens eine doppelte Herausforderung, denn sehr oft stand ich neben der Kamera und hab versucht, die Darsteller zu motivieren, immer und immer wieder das gleiche zu tun. Ich glaube, ich kann sagen, dass ich für sie ein ganz wichtiger Ansprechpartner war. Sie waren alle so wunderbar und verschieden und so verschieden wollten wir sie natürlich auch sein lassen. Die Zuschauer können im Verlauf der Geschichte außerdem die Entwicklung miterleben, die meine Figur durchmacht – um sich am Ende selbst die Frage zu stellen: "Wieso habe ich eigentlich diese Scheu vor diesen Menschen?" Denn genau diesen naiven Reflex, dass alles, was anders ist, uns erst einmal Angst macht, gilt es zu überwinden, immer wieder. Das macht uns Menschen doch aus.
Das ist eine starke Message.
Leider sind Toleranz und Inklusion oft nur leere Worte. Menschen, die "anders" sind, müssen sich ja permanent in "unsere" Welt hineinversetzen, anstatt dass wir auch mal die Chance nutzen, ihre Welt kennenzulernen. Nur weil wir uns nicht trauen, auf sie zuzugehen, verpassen wir viel und könnten bestimmt auch von ihnen lernen. Das gilt übrigens für alles, was uns als Menschen unterscheidet, wirklich für alles: Hautfarbe, Religion, Herkunft, Haltung – Unterschiedlichkeit in jeder Form. Mir persönlich war es schon immer fern, jemanden zu be- und damit verurteilen, ohne ihm wirklich eine Chance gegeben zu haben. Dabei wird unsere Welt dadurch zunehmend ärmer und gleichförmiger, was nicht passt, wird aussortiert. Wir neigen dazu, nur noch für oder gegen etwas zu sein ohne Fragen und Zwischentöne. Wir unterhalten uns nur mit denen, die unsere Meinung vertreten, anstatt mal auf die Anderen zuzugehen. Deswegen finde ich es ganz toll, mit diesem Film zu zeigen, zu welchen Möglichkeiten wir alle in der Lage wären, wenn wir mehr zuhören würden – und dieser Film ist eine Möglichkeit denen zuzuhören, die man sonst nicht hört.
Sie haben gesagt, dass wir oft viele Dinge als normal betrachten. Was ist für Sie normal?
Der Begriff "Normal" bedeutet ja, der Norm zu entsprechen, egal wie diese gerade ausfällt. Normal ist nur die Version von Möglichkeiten, auf die sich die größte Gruppe geeinigt hat. Es ist das, was die Mehrheit bestimmt und das ist sowohl historisch als auch von Kultur zu Kultur unterschiedlich. Lustig oder? Dass normal unterschiedlich sein kann? In der Wertung die unmittelbar aus dem Begriff abgeleitet wird, steckt aber auch eine große gesellschaftliche Brisanz. Eine Gruppe bestimmt auch für alle, die nicht zu dieser Gruppe dazugehören (dürfen), was richtig und was falsch ist.
Was nehmen Sie vom Dreh mit nach Hause?
Ich nehme sehr viel mit! Wir, die wir uns für normal halten, wollen ja oft etwas sein, was wir nicht sind – diese tollen Menschen, dieses Basketballteam will das nicht, sie sind, wie sie sind. Und glücklich. Das ist so einfach, so entwaffnend und auch ein wenig beschämend für uns. Anstatt die Bereicherung, die sie in unsere Gesellschaft bringen könnten, anzunehmen, werden sie im Alltag von den meisten gemieden. Und genau das macht uns immer ärmer. Und ich nehme ihre pure, naive Freude mit, denn wir denken oft so negativ jammernd und kompliziert, dass wir das vergessen: Uns einfach des Lebens zu freuen
Haben Sie auch zwischendurch mit Ihrer Familie über Ihre Erlebnisse bei dem Dreh gesprochen?
Meine drei Kinder waren zu Besuch am Set und fanden es auch ganz toll. Sie kennen das aber auch aus ihren Schulen, die alle inklusiv sind. Das ist eine Generation, die mit Inklusion aufwächst und die Bereicherung erkennt. Da hat sich viel getan. Hoffentlich. Wenn ich daran denke, wie das früher so war… Vor Kurzem hat mir mein mittlerweile 75-jähriger Onkel erzählt, dass damals, als er klein war, Menschen, die nicht in die damalige Gesellschaft passten, an Orte gebracht wurden, die sich "Krüppelbegegnungsstätten" nannten. Wir haben bei dem Thema also immer noch eine Menge vor uns.
Sie spielen einen Basketballtrainer, Andreas Ellgut, der mit diesem besonderen Team trainiert und dann merkt, dass es nicht nur ums Siegen geht. Was ist für Sie wichtig im Leben?
Unbedingt das, was wir als Sieg definieren, immer davon tragen zu müssen, gehört auf jeden Fall nicht zu den wichtigsten Dingen in meiner Definition vom Sinn des Lebens. Und da wir ja alle unterschiedlich sind, sind uns auch unterschiedliche Dinge wichtig. Umfassend empfinde ich als wichtig, dass jeder bestrebt sein sollte, seine Möglichkeiten zu entdecken und auszuleben. Dass man vielleicht sogar eine Ahnung dafür entwickelt, warum man hier ist und man so ist, wie man ist. Man sollte immer versuchen, seinen eigenen Weg zu gehen und dabei anderen auch diese Möglichkeit geben. Dass es nicht darum geht, wie viel Geld man verdient und wo man in der Gesellschaft steht. Wir sollten niemals diese Suche nach unserem sogenannten Glück aufgeben und aktiv dabei die größten Herausforderungen suchen. Das, was uns schwer fällt, wird zu Gold und am Ende des Regenbogens erkennen wir dann vielleicht das, was mit diesem Glück gemeint ist. Und auf dem Weg dahin sollte man immer die Person bleiben, die man ist und nicht irgendeine andere.
Für Ihre Rolle nicht immer einfach, das so zu sehen…
Zu Beginn ist es sogar völlig ausgeschlossen für Andreas, weil er Profitrainer ist und einem enormen Druck ausgesetzt ist. Und plötzlich muss er sich in einer Welt zurechtfinden, die er nicht kennt, in der andere Regeln gelten und die so gar nicht auf seine antrainierten Reflexe reagiert. Dabei hat genau diese vom Patriarchat geprägte Lebenseinstellung ihn auch sein privates Glück gekostet – seine kaputte Beziehung und das Verhältnis zu seinem Sohn, für den er nie anwesend war.
Er scheint alles verloren zu haben. Können Sie diesen Tiefpunkt im Leben nachempfinden?
Genau diese ausweglose Situation von Andreas natürlich nicht, aber wir alle sollten ähnliche Tiefpunkte erlebt haben, denn nur dann weiß man auch, dass ein Tiefpunkt gleichzeitig einen Wendepunkt markiert, von dem es nun wieder bergauf geht. Übertragen auf die Figur Andreas bedeutet das ungefähr: Wenn man immer nur siegt, geht der Zauber weg und dann fühlt sich kein Sieg mehr an wie ein Sieg.
Nun geht es auch um Basketball. Können Sie Basketball spielen?
Es reichte, dass ich nicht mehr lernen musste, wie man einen Korb wirft. Trotzdem habe ich hier in meiner Rolle auch viel Neues gelernt über den Sport. Es ist deutlich kampfbetonter und physischer als die meisten denken. Basketball ist so besonders, weil es Athletik mit totaler Konzentration verbindet. Und teamfähig muss man sein.
Inwiefern mussten Sie sich denn auf die Sportart vorbereiten?
Als Trainer einer Bundesliga Profimannschaft musste ich mir natürlich den Sport insgesamt, das Positionsspiel, verschieden Spielzüge, Taktik und Kommandos vorher rudimentär aneignen. Der Film beginnt ja mit Ellgut am Spielfeldrand einer Bundesligapartie. Auch im weiteren Verlauf des Films musste ich den Spielern ja immer wieder verschieden Spielzüge erklären und das klappt nur, wenn man wenigstens ein wenig Ahnung hat von dem, was man da sagt.