In der neuen Krimi-Reihe "Sonderlage – Ein Hamburg-Krimi" spielen Sie die Polizeiführerin Verena Klausen. Können Sie uns bitte die Figur bitte beschreiben? Was für eine Frau ist Verena Klausen?
In "Sonderlage" erlebt man Polizeiarbeit in extremen Ausnahmesituationen. An der Spitze dieser Einsätze steht die Polizeiführerin Verena Klausen mit der finalen Entscheidungsmacht, was auch heute noch ungewöhnlich ist, da Frauen in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert sind. Es geht darum, schwierige Entscheidungen unter Zeithochdruck zu treffen, strategisches Denken, polizeiinterne Machtkämpfe, toxische Arbeitsbeziehungen, Politik, Macht. Das Thema, eine Frau meiner Generation in einer Führungsposition in einer solch hierarchischen Männerdomäne wie der Polizei zu spielen, hat mich sehr gereizt.
In der Krimireihe "Nord bei Nordwest" verkörperten Sie jahrelang die Erfolgsrolle der Revierleiterin "Lona Vogt". War es deshalb jetzt einfacher für Sie, sich in die Rolle der Polizeiführerin hineinzuversetzen?
Für mich ist das nicht vergleichbar. "Nord bei Nordwest" ist eine Krimireihe mit humoristischen, skurrilen Charakteren. Im Fokus der Reihe steht neben der Jagd nach dem Mörder vor allem die Dreiecksbeziehung der drei Hauptfiguren und der ländlichen Bevölkerung. In "Sonderlage" dagegen geht es um Polizeiarbeit in Ausnahmesituationen wie beispielsweise einem Entführungsfall oder einem terroristischen Anschlag, Macht, Politik und einer Frau in dieser Führungsposition, die sich immer wieder gegen sämtliche Widerstände behaupten muss – eine Frau an der Spitze oft veralteter patriarchalen Machtstrukturen.
Verena Klausen und ihr Team ermitteln in besonderen Ausnahmesituationen. Ist diese Rolle, für Sie als jemand, die im Krimi-Genre zu Hause ist, anders als die vorherigen Polizistinnen-Figuren?
Innerhalb der letzten 20 bis 25 Jahre habe ich in über 100 Produktionen verschiedenster Art mitgewirkt und sehr unterschiedliche Figuren und Genres bedient. Angefangen als Tänzerin in Musiktheater-Produktionen, über historische Stoffe, Impro-Serien wie "Andere Eltern", Dramen und Komödien, Theater spielen sowie einen musikalischen Gesangsabend. Im letzten Jahr durfte ich zudem in einem französischen Film mitwirken und eine traumatisierte Tattoo-Performance-Künstlerin darstellen; ich habe drei Monate französisch gebüffelt. Ich liebe es, Erwartungen immer wieder zu brechen und Neuland zu betreten.
In der Krimireihe standen Sie auch schon mit Lasse Myhr vor der Kamera. In „Sonderlage“ gibt es ein Wiedersehen. Wie war die Begegnung und das erneute gemeinsame Spielen?
In "Nord bei Nordwest" hatten wir kaum gemeinsamen Szenen. In "Sonderlage" verkörpert er den Antagonisten, sozusagen den korrupten, nach Macht und Einfluss strebenden Gegenspieler. Aber Lasse ist ein entzückender Kollegen und es ist für mich immer eine große Freunde, mit guten Kollegen zu arbeiten und sich im Spiel zu "batteln".
Wäre der Beruf der Polizeiführerin auch im realen Leben etwas für Sie?
Nein. Die Verantwortung wäre mir viel zu hoch. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die diesen Job gewissenhaft erledigen. Ich könnte nachts wahrscheinlich nicht mehr schlafen. Ich bin in der Schauspielerei schon ganz richtig aufgehoben.
Neben den Herausforderungen der polizeilichen Extremsituationen wird die hauptsächlich von Männern dominierte Polizeiarbeit sowie Politikwelt thematisiert, in der sich Verena Klausen behaupten muss. Gegen welche Widerstände muss sie kämpfen?
Gegen alte patriarchale Machtstrukturen, alte Seilschaften von alten weißen Männern, Korruption, toxische Beziehungen, private Eitelkeiten und Befindlichkeiten. Es geht natürlich um Macht und es ist ein Haifischbecken. Ständig sägt einer am Stuhl des anderen. Letztendlich sind es Themen, wie sie auch in anderen Firmen und Konzernen zu finden sind. Daher denke ich, sind es nicht nur polizeiinterne, sondern strukturelle, gesamtgesellschaftliche Probleme, die nach Neuordnung und Reform schreien. Schwächen werden in dieser ‚Männerwelt‘ sofort negativ ausgelegt. Probleme mit der Familie, das Leiden unter z.B. einer Fehlgeburt, werden als mangelnde Führungsqualität gewertet, mit dem Ziel, Macht abzugeben. Es geht um Statuskämpfe.
Müssen Frauen für diesen Beruf anders gestrickt sein als Männer? Sind Frauen in diesem Berufszweig vielleicht die besseren Polizistinnen?
Ich denke, Frauen müssen sich bestimmt mehr anpassen, um innerhalb der polizeilichen Behörde ernst genommen zu werden. Und sie müssen wahrscheinlich vergleichsweise härter arbeiten, um festgefahrene Vorurteile zu überwinden. Nach wie vor. Aber diese immer heißdiskutierte Frage nach besser und schlechter finde ich wenig konstruktiv und nicht mehr zeitgemäß. Die fachliche Kompetenz von allen drei Geschlechtern sollte ausschlaggebend sein. Am Ende des Tages ist ja nicht die Leistung einer einzelnen Person entscheidend, sondern Teamarbeit, sprich kritischer fruchtbarer Austausch, um bestmögliche Entscheidungen zu treffen.
Verena Klausen und ihr Team entscheiden mit ihrer Arbeit über Leben und Tod. Dabei versuchen sie auch, in ausweglosen Situationen moralisch richtig zu handeln. Ist das immer vereinbar?
Meine Figur hat am Ende des Tages eine Leitlinie und Gesetze, nach denen sie sich richten muss. Das ist eigentlich ein klar definierter Rahmen. Doch es gibt in ihrem Alltag nicht nur schwarz und weiß, sondern viele Grauabstufungen, die sie strategisch und aus der Situation heraus immer wieder spontan zu weitreichenden Entscheidungen treiben, um die Bevölkerung zu schützen. Hoch interessant fand ich den Aspekt, dass man als Polizeiführerin versucht, sich in die Welt des Täters zu denken, sich in seiner Welt zu orientieren, um seine nächsten Schachzüge vorherzusehen. Mit dem Ziel, die Situation unter Kontrolle zu bekommen und zu beeinflussen. Dafür braucht man nicht nur hervorragende Instinkte und ein ausgeprägtes Gespür, sondern muss unter Zeithochdruck unglaublich schnell im Kopf sein – eine Art Mastermind im analytischen Denken und Kombinieren. Das finde ich unglaublich faszinierend.
Wie verlief die Zusammenarbeit mit den Expert:innen der Polizei?
Sehr gut. Ich fand es unheimlich interessant, über vier Monate in diese Welt einzutauchen, mit der ich noch nie wirklich in Berührung gekommen bin. Mir hat es sehr geholfen, alles über Frauen bei der Polizei in Führungspositionen, die Fälle, die Herangehensweisen zu beleuchten, von Expert: Innen zu lernen, und fand es wirklich spannend. Einige Male ist mein Weltbild allerdings auch zusammengebrochen. Und: Ich hatte Fragen ohne Ende. Von "Wie fühlt man sich in so einer Position?" bis hin zum Verstehen von Hierarchien. Es ist eine Welt, die mir so was von fremd ist.
Haben Sie beim Dreh etwas von der echten Polizeiarbeit in Ausnahmesituationen mitnehmen können?
Ja, einiges. Zum Beispiel: Versuchen, im echten Leben bei dem, was gerade so in der Welt passiert, erst einmal einen kühlen Kopf zu bewahren und auf meine Instinkte und meinen gesunden Menschenverstand zu vertrauen. Sich selbst, sein Handeln und die Situation immer wieder zu hinterfragen, zu reflektieren und kluge Entscheidungen zu treffen.
Im zweiten Film von „Sonderlage“ geht es um die Entführung eines Kindes. Ohne den Ausgang der Geschichte vorwegzunehmen, hätten Sie Vertrauen in die Polizeiarbeit?
Ja, für solche Fälle gibt es speziell ausgebildete Teams. Es bleibt einem ja auch keine andere Wahl, also würde ich darauf vertrauen wollen.
Gab es besondere Momente bei den Dreharbeiten, die Sie nicht vergessen werden?
Die größte Herausforderung für mich war unter Zeitdruck bei einem enormen Drehpensum und 40 Grad Außentemperatur einen kühlen Kopf zu bewahren. Meine Figur ist sehr kontrolliert und souverän, mein Naturell hingegen eher spontan und agil. Die Diskrepanz zwischen innerer Unruhe und dem äußeren Schein der Souveränität empfand ich als herausfordernd. Allerdings konnte ich dieses gut für mein Spiel nutzen.
Gibt es eine Traumrolle, die Sie unbedingt noch spielen möchten?
"Cabaret" in der Bahr jeder Vernunft würde mich sehr reizen, komplexe Frauenfiguren, heißt ganz normale Frauen. Weg von klischeehaften "starken" Kommissarinnen-Figur, wie man sie viel zu häufig im deutschen Fernsehen erlebt. Frauen-Themen, gesellschaftlich relevante Themen, historische Stoffe, weiter mit Regisseur:innen arbeiten, die mutig sind, Dinge gern auf die Spitze treiben, einen guten Humor und eine Vision haben. Musiktheater würde mich sehr reizen und beinhaltet alle drei Formen: Schauspiel, Gesang und Tanz. Dann bin ich am meisten in meinem Element. Mich interessieren sehr viele verschieden Facetten und Themen in meinem Beruf, ich wiederhole mich ungern und versuche immer wieder Neuland zu betreten. Diese Vielseitigkeit macht für mich den Reiz meines Berufes aus.
Was sind Ihre privaten sowie beruflichen Vorsätze für das neue Jahr?
Dass es so weitergeht, wie ich es im alten Jahr schon vermehrt begonnen habe umzusetzen und weiterzuentwickeln. Der Anfang fühlt sich gut an. Eine gute Balance finden, Familienleben und Job unter einen Hut zu bringen. Aber auch, neue eigene Projekte weiter entstehen zu lassen und umzusetzen. Ich arbeite gerade mit einer Produktionsfirma an der Stoffentwicklung einer neuen Mockumantaryserie (fiktionale Dokumentarserie) sowie der an der Wiederaufnahme des Musicals "Heute Abend: Lola Blau" von Georg Kreisler.