Ist das Leben weiterhin nichts für Feiglinge?
Das ist ja eine Anspielung auf meinen Film DAS LEBEN IST NICHTS FÜR FEIGLINGE, den ich vor einigen Jahren gemacht habe und der in der Tat sehr wichtig für mich ist. Nicht nur, weil ich gerne darauf zurückblicke, sondern weil er auch für die Arbeit steht, die mir sehr am Herzen liegt. Nämlich Themen aufzugreifen, die die dunklen Seiten des Lebens ausloten, in denen es um Vergänglichkeit, Schmerz, um die Endlichkeit unserer Existenz geht, Themen also, vor denen man - und ich schließe mich da nicht aus - im echten Leben gerne mal davonläuft. Für mich ist jedoch elementar wichtig, dass diese Annäherung mit Hoffnung, Leichtigkeit und einer gewissen Sinnlichkeit geschieht, so dass es den Zuschauern möglich ist, sich darauf einzulassen. Ich will vom Leben erzählen, ich will die Menschen zum Lachen bringen, zum Weinen, auch zum Nachdenken. Vielleicht lässt sich das mit einer Achterbahnfahrt ganz gut beschreiben. Um die Frage zu beantworten: Ja, das Leben ist weiterhin nichts für Feiglinge. Aber es lohnt sich, sich auf all diese dunklen Momente, die einem auch Angst machen können, einzulassen. Dadurch wird das Leben so reich und lebenswert. Ein Film wird ebenso reich und sehenswert, wenn man nicht bloß erzählt, dass die Welt toll ist.
Wie sind Sie auf GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! aufmerksam geworden und was ist das Besondere an dem Stoff?
Ich bin Vater einer Teenager-Tochter, die zu dem Zeitpunkt, als ich das erste Mal von diesem Projekt hörte, kurz vor ihrem 16. Geburtstag stand. Als man mir im Kurz-Pitch erzählte, dass die Geschichte von einem 16-jährigen Mädchen handelt, das nicht mehr lange zu leben hat, und schließlich auch das Buch zugeschickt bekam, hatte ich vor der Lektüre zunächst etwas Angst. Ich war mir nicht sicher, ob ich die Reise mit dem Mädchen machen kann, geschweige denn mit den Eltern, weil mir nicht klar war, wie ich ob des Themas zu dieser Leichtigkeit und Hoffnung komme, die ich in Filmen mag, anvisiere und suche. Glücklicherweise habe ich meine anfängliche Angst vor der Lektüre überwunden und das Drehbuch von Tommy Wosch und Katja Kittendorf gelesen. Bereits auf den ersten Seiten brachte es mich immer wieder zum Schmunzeln, ich spürte eine Verwandtschaft mit meiner Betrachtungsweise des Lebens, aber auch des Schmerzes. Das Buch las sich wie ein Liebesbrief ans Leben, der dem Leben sagt, wie weh es tun kann, wie brutal es manchmal sein kann, wie es einen zum Weinen, zur Verzweiflung bringen kann, wie es aber letztendlich, oder vielleicht gerade deshalb, geliebt wird. Die gemeinsame Ebene und die angesprochene ähnliche Betrachtungsweise wuchs in den gemeinsamen Gesprächen mit Tommy Wosch, der ja der Produzent des Films ist. Für uns beide ist GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! eine Liebeserklärung ans Leben! Deshalb musste und wollte ich diesen Stoff unbedingt inszenieren.
Wie in DAS LEBEN IST NICHTS FÜR FEIGLINGE und HAPPY BURNOUT geht es auch in GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! um das Leben im Ausnahmezustand. Was reizt Sie daran? Und inwiefern hebt sich GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! davon ab?
Ich war noch nie so nah an der Endlichkeit, an der Unausweichlichkeit wie bei GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN!. Bei DAS LEBEN IST NICHTS FÜR FEIGLINGE ging es um einen Mann, der seine Frau verloren hat, und um die Tochter, die mit dem Tod der Mutter umgehen musste und damit, dass die Großmutter krank war. Natürlich sind das auch Themen, bei denen Vergänglichkeit mitschwang. Auch bei HAPPY BURNOUT standen Verlustängste im Zentrum. Dennoch hatten die Hauptfiguren beider Filme, so sehr sie auch von den Geschehnissen berührt und betroffen waren, immer noch eine Chance nach dem Motto „Es geht weiter - auf die ein oder andere Art und Weise“. Bei GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! ist es anders, weil von Anfang an klar ist, dass unsere Hauptfigur nicht überlebt, die Endlichkeit lässt sich nicht verleugnen. Wenn man den Gedanken weiterspinnt, ergeht es unserer Hauptfigur Steffi so, wie es uns allen ergeht, nämlich, dass wir am Ende das, was wir hier auf Erden tun, nicht überleben werden. Nur dass bei Steffi das Ende absehbar ist. Trotz des Bewusstseins von Tod, von Vergänglichkeit – es ist egal, wie viel Zeit wir noch haben: Es ist letztendlich immer weniger, als man denkt oder als man hofft. Darum ist es viel wichtiger, an sich selbst den Appell zu richten: Nutze deine Zeit! Lerne das Leben wertzuschätzen, die Menschen, mit denen du eine enge Verbindung hast! Das ist auch die Message von GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN!
Was zeichnet das Drehbuch von Tommy Wosch und Katja Kittendorf aus? Was hat Ihnen daran gefallen?
Ich habe bislang eher einen Bogen um Roadmovies gemacht, weil ich oft den Eindruck hatte, auf eine episodische Aneinanderreihung von Anekdoten zu treffen mit Figuren, die nur angerissen werden. Bei GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! war dies nicht der Fall. In Tommys und Katjas Drehbuch hat die Reise nach Paris eine ganz wichtige Funktion: Diese Reise macht es möglich, die innere Reise von Steffi zu verfolgen. Durch diese Reise kann Steffi ihren Frieden mit dem Schicksal schließen, findet sie eine Haltung dazu, was in ihrem Leben geschieht. Das hat mich sehr beeindruckt.
Welche Gedanken haben Sie sich bezüglich der Umsetzung gemacht?
Für mich stand von Anfang an fest, dass GOTT, DU KANNST EIN ARSCH SEIN! Schauspieler -Kino werden sollte! Ich wollte ganz dicht bei den Darstellern sein, um ihnen die optimalste Perfomance zu gewährleisten. Das heißt natürlich, dass man in manch anderen, oftmals technischen Bereichen Verantwortung delegieren muss, um die Aufmerksamkeit voll und ganz auf die Schauspieler zu richten. Aber ich hatte ein super Team mit dem ich den Film im Vorfeld sehr gut vorbereitet hatte und konnte so beim Dreh loslassen. Vertrauen und Loslassen macht vieles leichter. Nicht nur im Film.
Ich begreife mich ja am Set – metaphorisch gesprochen – als Gastgeber einer Party, kümmere mich um Fragen wie: Sind die Leute gut drauf? Läuft hier die richtige Musik oder muss ich sie ändern? Haben alle was zu trinken? Ich denke, wenn die Leute sich wohlfühlen, wenn sie spüren, dass man sie wertschätzt und man ihnen vertraut, sind sie freier in ihrer Arbeit und man erzielt die besten Ergebnisse.
Wie gestaltete sich die Arbeit mit den Schauspielern, zuvorderst mit Hauptdarstellerin Sinje Irslinger? Welche Qualitäten bringt sie mit?
Sinje ist ein Geschenk, nicht nur für unseren Film, sondern für die gesamte Filmbranche. Ich bin mir sicher, dass sie ihren Weg gehen wird! Sie ist so toll und so authentisch. Obwohl schon beim allerersten Casting klar war, dass Sinje zu den Favoritinnen gehört, haben wir dennoch viele weitere junge Frauen und Mädchen angeschaut, weil wir wirklich sichergehen wollten, die ideale Steffi zu finden. Sinje war drei Mal da, und immer wieder hat sie uns überzeugt. Sie war so bei sich. Ich war fasziniert, dass ein so junger Mensch, der seine erste große Kinorolle spielt, sich nicht im mindesten unter Druck gesetzt hat, sich nicht einschüchtern ließ, neben Heike Makatsch und Til Schweiger zu drehen.
Im Zusammenspiel mit Max Hubacher: Was war Ihnen wichtig für das Duo?
Ich wollte von einer Annäherung zwischen zwei Menschen erzählen, die beide ja erst mal sehr für sich sind, die selbst aus ihrem Orbit herausgeschleudert wurden. Auch Steve hat sein Päckchen zu tragen. Ich wollte, dass man spürt, dass hier zwei Menschen aufeinandertreffen, die es sich nicht leicht machen, Nähe aufzubauen und zuzulassen. Auf der gemeinsamen Reise kommen sie sich näher und lernen sich schätzen. Wir haben möglichst chronologisch gedreht, was bei diesem Prozess sehr geholfen hat. Wir waren selbst eine Art Reisegruppe, die sich im Verlauf des Drehs mit allen guten Seiten, aber auch mit allen Macken, kennen und schätzen lernte. Man hat gespürt, wie gut es tut, vertrauter miteinander zu werden. Vieles, was an Vertrautheit und an Zwischenmenschlichem da war, ist in den Film eingeflossen. Als ich Steffi und Steve bzw. Sinje und Max zusammen spielen sah, hatte ich sofort ein gutes Gefühl. 21 Die beiden haben eine super Chemie – eine eigenartige Mischung aus fremd und vertraut. Vertraute Fremde. Ich habe den beiden sehr gerne zugeguckt.
Wie verlief ihre Zusammenarbeit mit Heike Makatsch und Til Schweiger?
Heike Makatsch und Til Schweiger kannte ich im Vorfeld weder von anderen Projekten noch persönlich. Beide sind auch Eltern, und der emotionale Zugriff zum Thema war sofort spürbar. Durch den Austausch und die Auseinandersetzung, bei der ich über meine zunächst empfundene Ohnmacht angesichts der Buchlektüre erzählte, diesem Treffer-versenkt-Gefühl, haben wir eine sehr gute gemeinsame Ebene erarbeitet. Diese Ohnmacht, dieses große Nichts bei den Eltern blitzt nun im Film bei manchen Momenten auch immer wieder auf. Als wüsste man nicht mehr weiter. Als hätte man seinen Text vergessen. Und im nächsten Moment steigt eine verzweifelte Wut auf.
Die beiden haben diese emotionale Reise, die einer Achterbahnfahrt gleicht, wahnsinnig berührend interpretiert. Eine Tour de Force. Ich hatte am Set oft Tränen in den Augen. Und ich bin so froh, dass wir die beiden für unser Projekt gewinnen konnten.
Warum haben Sie die Nebenrollen so ausgesprochen namhaft besetzt?
Jürgen Vogel, Jasmin Gerat, Benno Fürmann, Inka Friedrich sind weitere prominente Namen im Cast… Ich wurde gefragt, wen ich mir denn für die Rollen wünschen würde, mit wem ich denn immer schon mal gerne gearbeitet hätte. Da kam mir sofort Jürgen Vogel in den Sinn. Mit ihm hatte ich noch nie gearbeitet, obwohl ich ihn immer schon bewundere und verehre. Anfragen für andere Projekte zerschlugen sich immer. Deshalb dachte ich: Warum nicht eine neue Jürgen-Vogel-Offensive starten?
Ähnlich war es bei Inka Friedrich. Tommy Wosch und ich sind große Fans von ihr. Zunächst hatten wir Hemmungen, weil wir dachten, wir können sie doch nicht nur für einen Drehtag anfragen, welch ein Affront! Doch es klappte und die Szene mit ihr ist eine so wichtige für den Film. Inka spielt das so grandios und zurückgenommen. Allein diese Szene für sich genommen könnte der Trailer des Films sein.
Mit Jasmin Gerat habe ich bei der Fernsehkomödie „Love is in the Air“ bereits zusammengearbeitet. Ich schätze sie sehr in der Arbeit wie auch als Mensch. Für die Rolle der Tammy passt sie ganz wunderbar. Es ist zwar auch nur ein kleiner Part, aber die Begegnung zwischen ihr und Steffi ist eine ganz zentrale.
Zu Benno Fürmann gibt es eine witzige Anekdote: Er stand verrückterweise in der Tanke, in der wir drehten, bereits schon mal vor 20 Jahren für DER KRIEGER UND DIE KAISERIN von Tom Tykwer. Unser Location-Scout, der damals auch für Tom Tykwer arbeitete, erzählte uns das beim Sichten der verschiedenen Tankstellen, die wir ins Auge fassten. Über die Besetzung des Jupp hatten wir zu dem Zeitpunkt noch gar nicht nachgedacht. Aber da dachte ich mir: Vielleicht ist das ein Wink des Schicksals... Doch auch hier hatte ich zunächst Hemmungen, weil die Rolle für einen Schauspieler wie Benno eigentlich viel zu klein ist. Doch warum nicht nach den Sternen greifen… Zu guter Letzt haben wir sogar Dietmar Bär, den ich bei meiner Arbeit für einen Kölner „Tatort“ kennengelernt hatte, für einen Cameo-Auftritt gewinnen können.
Was war das Besondere an der Zusammenarbeit mit dem renommierten Kameramann Torsten Breuer?
Es war unsere allererste Zusammenarbeit. Ich kannte viele seiner Filme. Torsten ist ein toller Kameramann und obendrein ein super Musiker, was die wenigsten wissen. Er hat unter anderem die Filmmusik zu DER BEWEGTE MANN geschrieben. Wir haben uns viel ausgetauscht während der Vorbereitungszeit in Köln und natürlich später beim Dreh. Nach einem intensiven Arbeitstag hat er abends dann immer noch Musik gemacht - gespielt oder geschrieben. Das ist ein wichtiger Ausgleich für ihn, um den Kopf wieder frei zu kriegen. Ich habe Torsten als Menschen mit weit gefächerten Interessen und vielen Begabungen sehr zu schätzen gelernt. Vor allem natürlich als grandiosen Kameramann!
Er kreiert beeindruckende Kinobilder, die sich aber niemals in den Vordergrund drängen, sondern stets den Figuren und der Handlung unterordnen. Das ist meines Erachtens wahre Größe! Allgemein hatte ich in allen Positionen so tolle Leute am Set, dass eine Art von Pingpong im Austausch stattfand, wie ich es bei all meinen Filmen stets anstrebe. Gute Leute um sich versammeln und auf das reagieren, was sie einbringen – das ist für mich das Ideal von Filmemachen. Lebendig und kommunikativ.
Wobei gute Leute nicht automatisch großen Namen heißt! Hier ist vielleicht auch die Parallele zum Inhalt unseres Films zu finden: Denn beim Filmemachen wie im Leben muss man gucken, wen man an seiner Seite hat. Wenn man darauf achtet und sich Gedanken macht, Menschen findet, bei denen es „Klick“ macht, ist es das Beste, was einem passieren kann.