Q&A mit Showrunner und Headwriter Veronica Priefer und Executive Producer, Showrunner und Writer Johannes Kunkel
Q: Was verbindet Sie mit Mallorca, woher kam die Idee zur Geschichte?
Johannes Kunkel: Wir lieben Mallorca! Genau wie die anderen vier Millionen Deutschen, die jedes Jahr auf die Insel kommen. Mallorca ist die Lieblingsinsel der Deutschen – und das nicht erst seit gestern, sondern mittlerweile seit Generationen.
Veronica Priefer: Die Initialzündung kam 2015: Johannes Kunkel war gemeinsam mit unserem Producer Marvin Rössler das erste Mal auf Mallorca, auch am berühmt-berüchtigten Ballermann – dem Las Vegas der Deutschen.
JK: Nach einer Weile kam die Frage auf, warum dieser einzigartige Mikrokosmos zwar über Jahrzehnte Inhalte für TV-Berichte und Reality TV Shows lieferte, eine wirklich erfolgreiche fiktionale Erzählung aber bisher fehlte – zumindest seit der Kultkomödie „Ballermann 6” aus dem Jahr 1997.
VP: Fast jede:r hat eine Meinung zu Mallorca. Doch kaum einer weiß, was hinter den Kulissen des Massentourismus geschieht. Bereits die erste Recherche hat uns die Augen geöffnet. Wir konnten nicht glauben, was sich hier für eine spannende, hochkomplexe Welt auftat, voller Themen, die wir uns für die UFA Fiction gut vorstellen konnten. Von da an war klar: Das wollen wir erzählen!
Q: Inwieweit haben Sie sich von der damaligen Atmosphäre inspirieren lassen?
VP: „Der König von Palma” erzählt eine rein fiktionale Geschichte – in einem authentischen Kosmos. Das war uns wichtig.
JK: In den 1990er Jahren war Mallorca ein heißes Pflaster. Sowohl was den Spaß-Tourismus angeht als auch die Machenschaften im Verborgenen. In dieser Ära wurde sehr viel Geld verdient und dabei mit harten Bandagen gekämpft. Von Korruption bis hin zu Mord, all das fand statt und wir haben uns davon inspirieren lassen. Aber die handelnden Personen und die Lebensumstände sind letztlich frei erfunden.
Q: Wie gestaltete sich die Recherche für diese Geschichte?
JK: Wir haben unglaublich viel recherchiert und sowohl mallorquinische als auch deutsche Zeitzeug:innen – vom ehemaligen Konsul bis zur Servicekraft – getroffen. Und fast jede Ausgabe des Mallorca Magazin 1989 bis 1991 gelesen.
VP: Unser Glück war die Zusammenarbeit mit Ingo Wohlfeil, dem ehemaligen BILD MALLORCA Redakteur. Ingo konnte uns mit vielen Menschen vernetzen, zu denen wir sonst nur schwer einen Zugang gefunden hätten. Zu ihnen gehören beispielsweise die Bookerin der legendären Ballermann-Disco „Oberbayern” und der Booker des ebenso legendären „Riu Palace“. Die beiden waren sozusagen in ihrer Zeit Konkurrent:innen – waren jetzt aber beide als Berater:in für unsere UFA Fiction Serie dabei und haben auch alle Drehbücher gelesen. Zum Glück gibt es ja auch viele TV-Berichte und Boulevard-Artikel zu diesem Thema – auch im Archiv von RTL. In diesem Fall ist es in der Tat so: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte.
Q: Was zeichnet die Serie für Sie aus?
VP: Wir erzählen eine fiktionale Mallorca-Geschichte auf Augenhöhe mit den Protagonist:innen. Ohne die übliche ironische Distanz und auch ohne die oft bemühte moralische Kategorisierung Mallorcas. Die Serie taucht ein in das Drama einer Familie, die ihr sicheres Umfeld verlassen hat und sich in ein Abenteuer stürzt.
JK: Es geht um Freiheit, um Ausbruch aus dem Alltag, die Verwirklichung von Träumen – und das, was dabei auf der Strecke bleibt. Die Playa de Palma, der Ballermann, wurde bisher komödiantisch oder trashig erzählt. „Der König von Palma“ ist eine Dramaserie. Durch die Augen unserer Hauptfigur Matthias „Matti“ Adler und seiner Familie erleben wir eine Realität, die im Kontrast zu den Hochglanz-Bildern aus Urlaubskatalogen steht. Umgeben von fröhlichen Tourist:innen, entdecken unsere Figuren eine Parallelwelt, in der sie immer mehr Grenzen übertreten müssen.
Q: Welches Bild von Mallorca möchten Sie in Ihrer Serie vermitteln?
JK: Es geht in unserer Geschichte um die Perspektive einer deutschen Auswandererfamilie, die einen Biergarten am Ballermann eröffnet. Das ist der Fokus unserer Erzählung. Das Mallorca jenseits dieser Welt wollten wir aber auch mit aufgreifen. Der deutsch geprägte Ballermann macht ja nur einen verschwindend geringen Teil der Insel aus. Die Einheimischen und viele der Tourist:innen nehmen diesen Ort kaum wahr. Anziehungspunkt für viele ist die atemberaubende Natur, das Licht, die Berge, das Meer, der Wasser- und Radsport, das Wandern und die gute Gastronomie.
VP: Auch, dass Mallorca eine eigene Sprache hat, war uns in der Darstellung wichtig. Deswegen featuren wir auch Mallorquinisch sowie Spanisch in der Originalsprache.
Q: Welche Rolle spielt die Einordnung der Erzählung in die Zeit des Mauerfalls? Welche Bedeutung hatte diese Zeit für die Entwicklung vom Ballermann?
VP: Für uns spielen Zeit und Ort der Erzählung eine große Rolle: Mallorca 1990. Das war Post-Wende, Ekstase, Feierstimmung: Die gelebte deutsch-deutsche Wiedervereinigung fand auch an der Playa de Palma statt. Viele unserer Zuschauer:innen haben ihre schönsten Urlaubserinnerungen aus dieser Zeit.
JK: Gerade der Ballermann hat sich in diesen Jahren stark verändert und wie kein anderer Ort die wilde Feierstimmung eines ganzen Volkes ausgedrückt. Es war eine glamouröse und ausschweifende Ära. Mit der Wende kamen immerhin 16 Millionen “neue” potentielle Tourist:innen dazu und Mallorca war zu dieser Zeit das günstigste westliche Reiseziel unter Palmen.
VP: Im Jahr 1990 allerdings war von der Wiedervereinigung auf Mallorca statistisch noch nicht viel zu spüren. Dafür überwiegen die persönlichen Erinnerungen: Die ersten Pauschalreisenden aus der DDR werden im April 1990 am Flughafen in Palma begrüßt.
Q: Was kann am Beispiel dieser Serie über unsere Gesellschaft gesagt werden?
JK: Die deutsche Gesellschaft braucht offensichtlich ekstatische Pausen von ihrem Alltag. Ob es das Oktoberfest, der Kölner Karneval oder eben der jährliche Mallorca-Urlaub ist – einmal im Jahr alles hinter sich lassen und komplett loslassen. Dafür steht der Ballermann auch heute noch.
VP: 1990 konnte man sich im Gegensatz zu heute noch sicher sein, dass das, was auf Mallorca geschah, auch wirklich auf der Insel blieb. Frei nach dem Motto „Hier kennt uns ja niemand” partizipierten die Urlauber:innen in Nacktpolonaisen und ließen bei Herren- und Damen-Wahlen alle Hüllen fallen, um im besten Fall eine kleine Flasche Sekt als Preisgeld mit nach Hause zu nehmen. Es gab kein Smartphone, keine sozialen Medien und so konnte der Ausbruch aus dem bürgerlichen Leben gut verheimlicht werden. Dies hat anscheinend zu lustigen Situationen geführt, wenn sich Eheleute überraschend im legendären Feiertempel „Bierkönig” getroffen haben, nachdem sie sich gegenseitig jeweils von einer erfundenen Geschäftsreise erzählt hatten.
JK: Diese Pause vom Alltag, dieses Stück Freiheit, in dem die normalen Regeln nicht gelten – das hat uns fasziniert.
Q: Was war Ihnen wichtig zu zeigen?
VP: Wir wollen eine Ära zum Leben erwecken. Die 1990er auf Mallorca sind eine Zeit, die nun wieder ins Schlaglicht einer Generation gerät, die mittlerweile mitten im Leben steht und sich heute voller Sehnsucht an diese Zeit erinnert.
JK: Am Ballermann erlebte man die Jahre nach der Wende im Rausch: Ohrenbetäubende Schlager, die brennende Sonne des Mittelmeers und jede Menge Alkohol waren das, wonach Millionen Wiedervereinigte suchten. Gleichzeitig war es das Rezept für den rasanten Aufstieg einiger Goldgräber:innen, die damit innerhalb kürzester Zeit zu unvorstellbarem Reichtum gelangten.
VP: Die Zeit nach dem Mauerfall war für viele ein Momentum, in dem fast alles möglich schien. Eine Zeit des Neustarts. Der Kapitalismus hatte einen scheinbaren Siegeszug angetreten und Globalisierung, internationaler Terror und Digitalisierung hatten sich noch nicht in ihrer heutigen Komplexität entfaltet. In dieser Zeit war das Bestreben groß, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Ein Drang, der, genau wie in unserer Serie, zunehmend von der „Gier nach mehr“ korrumpiert wurde.
JK: Außerdem zeigen wir eine Welt, wie sie aktuell mitten in der Pandemie nicht mehr existiert. Es war Sommer, die Menschen lagen sich bei der Weltmeisterschaft 1990 in den Armen, haben zusammen getrunken und gefeiert, die Stimmung war gelöst. Kaum mehr vorstellbar aus heutiger Sicht!
Q: Was ist das Besondere an dieser Serie?
JK: Wo sollen wir anfangen, alles ist besonders: Die Zeit, das Wetter, der Ort unter Palmen. Für uns ist das Besondere aber vor allem der Blick hinter die Kulissen eines Phänomens.
VP: Für viele mallorquinische und deutsche Unternehmer:innen war Mallorca Anfang der 1990er Jahre eine Art Wilder Westen mit damals noch weniger staatlicher Kontrolle als in Deutschland oder auf dem spanischen Festland – bei gleichzeitig großem finanziellen Potential im explodierenden Tourismussektor. Aus Deutschland zog es Abenteurer:innen, Goldgräber:innen und Aussteiger:innen auf die Insel – Frauen sowie Männer auf der Suche nach Freiheit oder nach dem Großen Los. Das hat uns angefixt und dazu angespornt, diese Geschichte zu erzählen.
Q: Welches Bild zeichnet die Serie aus Ihrer Sicht von deutschen Auswander:innen auf Mallorca in den 90er Jahren?
VP: Die Auswander:innen – Männer und Frauen – die wir getroffen haben, waren lebensdurstig, abenteuerlustig und unkonventionell. Mallorca bietet Individualist:innen Möglichkeiten, von denen man in Deutschland nur träumen kann.
JK: Trotzdem, der Traum eines Lebens unter Palmen kann schnell zum Albtraum werden. Salopp gesagt: Ein Pleitier in Deutschland wird es auch auf Mallorca nicht weit bringen. Um in der Gastronomie Erfolg zu haben, muss man diszipliniert, fokussiert und vor allem durchsetzungsstark sein – umso mehr, je größer das Stück vom Kuchen wird, das man beansprucht.
VP: Genau wie für unsere fiktive Auswandererfamilie Adler scheint es wichtig, die anfängliche Naivität schnell abzulegen. Wie eine langjährige Auswanderin uns erzählte: „Die Sonne auf Mallorca kitzelt die Probleme raus, vor denen du eigentlich davonlaufen wolltest. Es gibt keinen Schatten, um sie zu verstecken.”