Interview mit Tim Mälzer zum Generationenprojekt „Herbstresidenz“
Du hast mit dem VOX-Format „Schwarzwälder Hirsch“ schon mal ein außergewöhnliches Projekt umgesetzt. Jetzt die „Herbstresidenz“. Wie kam es dazu und was ist dein persönliches Anliegen?
„Die Idee entstand im Nachgang zu „Zum Schwarzwälder Hirsch“, wo wir bereits sehr positive Erfahrungen mit der Inklusion von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt gemacht haben. Einige unserer Protagonisten haben damals schon den Wunsch geäußert, vielleicht mal in der Pflege tätig zu sein. Bei der Weitervermittlung mussten wir dann aber schnell feststellen, dass dafür gar kein „Boden“ vorbereitet war. Hinzu kamen Gespräche im Familienkreis über das Thema Altersheime und die eher ablehnende Haltung gegen eine Unterbringung vor Ort, die ich bei einigen gespürt habe. Aus diesen beiden Punkten ist dann die Idee zur „Herbstresidenz“ entstanden. Sprich: Was können und was müssen wir tun, um ein Pflegeheim zu einem lebenswerten Ort zu machen? Und welche Fertigkeiten bringen Menschen mit einer Form von Behinderung mit, die unterstützen wollen und wie kriegen wir das miteinander verknüpft?“
Pflegenotstand in Deutschland ist ein Thema, vor dem viele die Augen verschließen. Worin siehst du die größten Herausforderungen? Was ist das Ziel des Projekts – inwieweit kann es helfen und sogar nachhaltig helfen?
„Ich glaube, wir laufen alle Gefahr, unter dem Pflegenotstand zu leiden. Je länger wir die Augen davor verschließen, desto näher rückt der selbstverschuldete Scherbenhaufen. Weder ist es nur Thema der Krankenkassen noch ausschließlich der Politik. Es ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, wo wir alle gefragt sind. Was können wir als Gesellschaft dazu beitragen, dem Thema Pflege das negative Image zu nehmen, das oft mitschwingt?“
Was ist dein persönliches Ziel mit diesem Projekt?
„Ich versuche im Rahmen meiner Möglichkeiten, gesellschaftliche Themen anzusprechen. Mein Ziel ist dabei nicht, nur Probleme zu nennen, sondern die Aufmerksamkeit zu schaffen und im besten Fall Lösungen für Probleme zu finden. Ich glaube, wir müssen als Gesellschaft wieder ein bisschen funktionaler und gemeinschaftlicher werden. Und dazu kann jede und jeder einen Beitrag leisten.“
Was für ein Bild von Altersheimen hattest du vor der Sendung „Herbstresidenz“ im Kopf – hat sich das geändert?
„Mein persönlicher Eindruck war eher widersprüchlich zum gängigen Bild. Aufgrund eines kurzen familiären Bezugs zu einem Heim hatte ich einen eher positiven Eindruck, da wir positive Erfahrungen gemacht haben. Dennoch gab es aber auch da einige Verbesserungsmöglichkeiten. Mir ist aber ganz wichtig dazuzusagen, dass es hier nicht darum geht, Pflegebashing zu betreiben und aufzuzeigen, was in Pflegeheimen fehlt oder nicht läuft. Das wäre unfair und nicht richtig. Die Leute vor Ort machen zumeist einen top Job! Mir geht es vor allem darum zu gucken, wie wir es noch besser machen können. Wie können wir die Menschen, die täglich vor Ort alles in ihrer Macht stehende leisten, unter die Arme greifen und helfen? Wie kriegen wir es hin, dass auch die Arbeit des Pflegepersonals wieder wertschätzender betrachtet wird und sich für die Pflegenden befriedigender gestaltet? Applaus aus dem Fenster, wie in Corona-Zeiten, reicht da nicht.“
Was wurde zur größten Herausforderung des Generationenprojekts?
„Der Zeitraum, der uns zur Verfügung stand, war eigentlich viel zu kurz. In den drei Monaten, in denen wir das Format gemacht haben, konnten wir im Grunde erst einen Prozess anstoßen, nicht aber zu einem richtigen Ende führen. Dieser Prozess müsste jetzt weitergetragen werden. Es ist ein so vielschichtiges Thema, für das wir in unterschiedlichen Bereichen Lösungsansätze anbieten konnten. Aus den Ansätzen werden aber erst dann Lösungen, wenn es Leute gibt, die den Prozess und die notwenige Energie aufgreifen, sie weiterführenn und auch weiter kommunizieren.“
Was hat dich positiv überrascht?
„Die Menschen. Die Bewohnerinnen und Bewohner, die Auszubildenden und die Pflegekräfte. Letztere haben sich uns gegenüber mit einer enormen Bereitschaft geöffnet, um Veränderungen mitzugestalten, mitzutragen und den Prozess anzutreiben. Das hat mich stark beeindruckt.“
Wie lautet dein Fazit zum Generationenprojekt „Herbstresidenz“ – ist es gelungen? Weißt du, ob es schon in weiteren Einrichtungen Anwendung findet?
„Ob die Veränderungen so 1:1 bereits woanders stattfinden, kann ich gar nicht genau sagen. Ich habe aber gehört, dass die Caritas das Modell so gut findet, dass sie das Konzept wohl gerne auf weitere Heime ausweiten möchte.
Die Frage ist, was nun gelungen bedeutet. Gelungen ist es ja in dem Moment, in dem wir es geschafft haben, das Leben der Einzelnen erträglicher zu machen und wir es geschafft haben, ihnen ein Zuhause zu geben. Wenn wir es geschafft haben, den Pflegerinnen und Pflegern den Arbeitsalltag ein wenig zu erleichtern. Und wenn wir es geschafft haben, einzelnen Leuten wieder eine Aufgabe im Leben zu geben, die sie hochmotiviert ausüben und damit wiederum das Leben anderer wieder schöner gestalten. Wenn all diese Parameter bedeuten, dass das Projekt gelungen ist, dann würde ich sagen, dass es ein absoluter Erfolg war, ja.“
Was wäre dein persönlicher Traum für den Lebensabend? Wie soll er aussehen?
„Selbstverwaltet, aktiv und sozial vernetzt bis zum Schluss.“
Interview mit André Dietz zum Generationenprojekt „Herbstresidenz“
Du hast mit dem VOX-Format „Schwarzwälder Hirsch“ schon mal ein außergewöhnliches Projekt umgesetzt. Jetzt die „Herbstresidenz“. Wie kam es dazu und was verbindest du vielleicht auch persönlich mit dem Thema?
„Der Produzent der beiden Projekte, Sascha Gröhl, hatte Interviews von mir gesehen, in denen ich über meine Tochter mit Behinderung und über Inklusion spreche und fand meinen Umgang mit dem Thema gut. Er hatte mich damals gefragt, ob ich drei Monate mit ihm in den Schwarzwald gehe und das Projekt ‚Schwarzwälder Hirsch‘ mit ihm gestalten würde. Obwohl mich die Idee sofort umgehauen hat, habe ich drei Mal abgesagt, da wir gerade eine sehr schwierige Situation mit unserer Tochter mit dem Angelman Syndrom hatten und ja auch noch drei weitere Kinder mit all Ihren Ansprüchen. Ich habe es am Ende gemacht, es war ein Riesenerfolg und als die Idee für die ‚Herbstresidenz‘ kam, musste keiner von uns lange nachdenken.“
Pflegenotstand in Deutschland ist ein Thema, vor dem viele die Augen verschließen. Worin siehst du die größten Herausforderungen in der Pflege? Was ist das Ziel des Projekts – inwieweit kann es helfen und sogar nachhaltig helfen?
„Die Pfleger geben Tag für Tag ihr Bestes, das lag vom ersten Moment an auf der Hand. Doch aufgrund des Mangels an Personal bleiben viele Dinge dabei trotzdem auf der Strecke. Vor allem die persönlichen Momente oder die Gespräche mit den Senior:innen. Medizinische Betreuung und Hygiene sind unabdingbar, dafür muss man sich als Pfleger:in seine Zeit nehmen. Dinge wie Spaziergänge, Ausflüge, Kochen und vor allem die Nähe, die man gerade im Alter braucht, fallen leider meistens weg. Diesen Pflegenotstand allerdings mit Menschen mit Behinderung aufzufangen, ist für mich ein ‚No-Brainer‘ – die logischste Lösung von allen.“
Was ist dein persönliches Ziel mit diesem Generationenprojekt?
„Was das Thema Altenpflege betrifft, denke ich, dass dieses Konzept wirklich neu gedacht werden muss. Wir müssen weg vom ‚Abstellgleis‘ und hin zu einem wirklichen Zuhause. Das ist einfacher, als man denkt. Was das Thema Inklusion betrifft, ist es ein fast egoistisches Ziel: Ich möchte meiner Tochter mit Behinderung eine Zukunft bereiten, in der alle Menschen gleich sind, und vor allem die gleichen Chancen haben. Damit wäre natürlich nicht nur ihr geholfen, sondern unserer ganzen Gesellschaft. Das wird gerade noch wichtiger, da eine – in Teilen rechtsextreme Partei – Zuspruch erhält, die Inklusion als ‚Ideologie‘ betrachtet und nicht als das, was sie ist: ein Menschenrecht.“
Du hast dich bei dem Projekt „Herbstresidenz“ vor allem um die angehenden Alltagshelfer:innn im Heim gekümmert. Zehn junge Menschen mit Behinderung, die auf dem ersten Arbeitsmarkt bisher keine Chance bekommen haben. Wie ist es den Azubis ergangen?
„Ohne zu viel verraten zu wollen: Der Plan geht sowas von auf! Ich dachte nach drei Wochen bereits: ‚Geschafft! So funktioniert Inklusion!‘. Das lief und läuft natürlich alles nicht reibungslos, aber der Fehler ist, dabei immer nur die Behinderung als Grund vorzuschieben. Die meisten unserer Teilnehmer:innen sind von unserer Gesellschaft bereits abgestempelt worden und zeigen hier: ‚Leute, ihr lagt völlig falsch!‘“
Was wurde zur größten Herausforderung?
„Wie auch beim ersten Projekt war die größte Herausforderung, das Niederreißen von alten Denkmustern. In der kreativen Arbeit sind wir ‚Fernsehfuzzis‘ ständig darauf getrimmt, Dinge anders zu machen, neu zu erfinden, über jeden Tellerrand zu schauen, bevor man die Suppe gelöffelt hat. Das wiederum trifft auf Menschen, die gelernt haben, in klaren Strukturen zu arbeiten und diese teilweise auch brauchen. Damit meine ich die Pflegenden, die Menschen mit Behinderung, deren Eltern und – nicht zuletzt – die Bewohner:innen des Heims. Da steht man als Kreativer manchmal zu Recht, oft zu Unrecht, als Traumtänzer da.“
Was hat dich positiv überrascht?
„Welche Wege sich offenbaren, wenn man Zutrauen schenkt und Menschen zum Mitwirken animiert..., …was eine gute Gemeinschaft, Optimismus und Fröhlichkeit bewirken… …und dass meine eigene Dummheit und Voreingenommenheit mal wieder über den Haufen geworfen wurde. Ich gebe mir immer Mühe, Menschen nicht in Schubladen zu stecken. Dennoch dachte ich nach einer Woche zu wissen, wer es wie weit bringen würde und wer in welcher Situation wie reagiert. Spoiler: Ich lag auf ganzer Linie falsch!“
Was hat das Projekt mit dir persönlich gemacht?
„Ich habe mehr über das ‚Altern‘ nachgedacht, als ich es bisher getan habe und tun musste. Meine Eltern sind leider sehr früh gestorben, daher hat mich das Thema bisher nur am Rande gestreift. Allerdings sind meine Frau und ich selbst ‚Pflegende‘ und wir wissen, was es bedeutet, Tag für Tag diese Verantwortung zu tragen. Wir möchten unseren Kindern ermöglichen zu entscheiden, wie wir im Zweifel gepflegt werden. Vielleicht konnte ich hiermit einen kleinen Teil dazu beitragen, die Altenpflege und die Inklusion ein kleines Stückchen besser zu machen.
Wie lautet dein Fazit zum Generationenprojekt „Herbstresidenz“ – ist es gelungen? Weißt du, ob es schon in weiteren Einrichtungen Anwendung findet?
„Die Idee ist – mehr noch als beim ‚Schwarzwälder Hirsch‘ – nahezu universell anwendbar. Im ersten Projekt ‚Schwarzwälder Hirsch‘ haben wir gezeigt, was in den Menschen steckt. Das Ganze konnte allerdings nicht wie eine Schablone auf jedes Restaurant angelegt werden. In diesem neuen Fall gibt es bereits Absichten, unsere Ideen auf weitere Heime anzuwenden.
Was wäre dein persönlicher Traum für den Lebensabend? Wie soll er aussehen?
„Ich möchte meine Kinder, meine Frau und meine Freunde um mich herumhaben und ich möchte mich zu Hause fühlen, egal, wo ich am Ende meiner Tage bin. Den alten Menschen, denen ich während meiner Arbeit zur ‚Herbstresidenz‘ begegnet bin, war das leider nicht vergönnt. Das hat mich oft traurig zurückgelassen. Dabei sollte das Leben doch mit mindestens einem lachenden Auge enden.“
Interview mit Tobias Möllney, Pressesprecher bei St. Raphael, zum Generationenprojekt „Herbstresidenz“
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit VOX und Vitamedia? Warum wurde das Altenheim in Bernkastel-Kues für den Dreh ausgewählt?
„Vitamedia kam im Herbst 2023 mit einer Projektidee auf uns zu. Die Produktionsfirma suchte ein Pflegeheim für eine neue VOX-Doku und war dabei auf uns gestoßen. Wir haben unser Altenzentrum St. Nikolaus in Bernkastel-Kues als Drehort vorgeschlagen und die Projektidee gemeinsam weiterentwickelt. In dem Altenzentrum wollten wir nach erfolgreichem An- und Umbau ein neues Konzept umsetzen – und haben zugestimmt, dass die dortigen Veränderungen und Umgestaltungen mit der Kamera dokumentarisch begleitet werden. Wir hatten von Anfang an Vertrauen in die Zusammenarbeit mit Vitamedia, deren Arbeit wir von der VOX-Doku „Zum Schwarzwälder Hirsch – eine außergewöhnliche Küchencrew und Tim Mälzer“ her kannten. Entscheidend war auch, dass Einrichtungsleiter Manfred Kappes und sein Team Lust auf das Projekt haben.“
Was hat Sie an dem Projekt und an der Idee des Generationenprojekts überzeugt? Wo lagen eventuell Herausforderungen?
„Wir sind offen für innovative Ideen und neue Impulse, weil wir unsere Angebote für Menschen im Alter und Menschen mit Behinderung weiterentwickeln möchten. Das Projekt verbindet mit der Altenhilfe und der Behindertenhilfe zwei Bereiche, in denen wir als Unternehmen aktiv sind. Das war und ist für uns sehr interessant. Das Projekt bot uns die Möglichkeit, neben dem Altenzentrum St. Nikolaus weitere Einrichtungen und Dienste einzubringen. So kümmerte sich das Weiterbildungszentrum an der Pflegeschule Daun, an der wir als Unternehmen beteiligt sind, um die schulische Ausbildung und Anleitung der teilnehmenden Menschen mit Beeinträchtigung. Mitarbeitende unserer Mobilen Inklusiven Assistenz (MIA) im Kreis Bernkastel-Wittlich begleiteten die Teilnehmenden außerhalb ihrer Arbeitszeit.
Die beiden großen Ziele des Projekts gleichermaßen zu erreichen, war eine Herausforderung. Zum einen ging es darum, das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner im Altenzentrum weiter zu verbessern, zum anderen darum, den Menschen mit Beeinträchtigung eine Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen.“
Worin liegt Ihrer Meinung nach aktuell die größte Herausforderung in der Pflege – und kann das Projekt „Herbstresidenz“ hier helfen?
„In der Altenpflege fehlt es nicht nur an Personal, sondern oftmals auch an Zeit bei der Betreuung der Seniorinnen und Senioren. Hier kann das Projekt helfen. Es zeigt, wie Menschen mit Beeinträchtigung bei der Aktivierung und Begleitung der Bewohnerinnen und Bewohner unterstützen und dadurch das Pflege- und Betreuungspersonal entlasten können. Sie fördern zugleich die Gemeinschaft und helfen dabei, das personalintensive Hausgemeinschaftskonzept in verkleinerten Wohngruppen umzusetzen. Durch die gezielte Qualifizierung zu Alltagshelfern eröffnen sich ihnen zahlreiche Tätigkeitsfelder in den Bereichen Pflege, Betreuung und Hauswirtschaft.“
Wie lautet ihr Fazit zum Generationenprojekt „Herbstresidenz“ – ist es gelungen? Würden oder haben Sie schon das Generationenprojekt „Herbstresidenz“ auch anderen Einrichtungen der Caritas empfehlen?
„Wir ziehen ein positives Fazit. Neun Menschen mit Beeinträchtigung haben im Altenzentrum St. Nikolaus die Qualifizierung zu Alltagshelfern erfolgreich absolviert und das Angebot erhalten, auch über das Projekt hinaus in der Einrichtung zu arbeiten und gemeinsam den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu gestalten.
Durch den Einsatz dieser zusätzlichen Mitarbeitenden konnte zwar der Personalbedarf in der Einrichtung nicht reduziert, jedoch das Pflege- und Betreuungspersonal entlastet sowie das neue Hausgemeinschaftskonzept unterstützt werden. Die Umsetzung des Konzepts kann durch den Einsatz dieser Mitarbeitenden besser gelingen.
Wie eng das Altenzentrum St. Nikolaus inzwischen mit dem Projekt verbunden ist, zeigt auch die Umbenennung der Einrichtung in Caritashaus Herbstresidenz zum 1. Februar 2025.
Aufgrund der guten Erfahrungen im Altenzentrum St. Nikolaus haben wir Anfang des Jahres ein weiteres Projekt in unserem Altenzentrum St. Johannes in Mayen gestartet. Hier arbeiten aktuell acht Beschäftigte mit Beeinträchtigung aus unseren Caritas Werkstätten und werden vom Weiterbildungszentrum an der Pflegeschule Daun ausgebildet und angeleitet.“
Halten Sie das Projekt für zukunftsfähig und wird die Caritas es als Role Model nutzen, um die Idee des Generationenprojekts auch deutschlandweit auszuweiten? Haben Sie bereits positive Rückmeldungen zu dem Projekt erhalten?
„Besonders gefreut haben wir uns beispielsweise über den Pflegepreis Rheinland-Pfalz 2024, den das Altenzentrum St. Nikolaus und das Weiterbildungszentrum an der Pflegeschule Daun für das Gemeinschaftsprojekt erhalten haben. Der mit 1.000 Euro dotierte Preis in der Kategorie „Berufliche Integration schwerbehinderter Menschen in der Pflege“ wurde vom Sozialverband VdK Rheinland-Pfalz gestiftet. Die Preisverleihung fand am 9. Oktober 2024 im Rahmen des rheinland-pfälzischen Pflegetags in der Rheingoldhalle in Mainz statt. Die Menschen mit Beeinträchtigung aus unserem Altenzentrum St. Nikolaus waren natürlich mit dabei.“
Interview mit Manfred Kappes, Leiter des Altenzentrums St. Nikolaus in Bernkastel-Kues, zum Generationenprojekt „Herbstresidenz“
Herr Kappes, was hat Sie an dem Projekt überzeugt mitzumachen?
„Das Projekt kam zu einem guten Zeitpunkt. Anfang 2024 befanden wir uns mit dem An- und Umbau unseres Altenzentrums auf der Zielgeraden. In den frisch sanierten Räumlichkeiten wollten wir das Konzept des lebensweltnahen Wohnens umsetzen, konkret ein Hausgemeinschaftskonzept in verkleinerten Wohngruppen mit jeweils zehn bis zwölf Bewohnerinnen und Bewohnern.
Für die Umsetzung des Konzepts brauchten wir mehr Personal, zum Beispiel für die Aktivierung und die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner in den Kleingruppen. Wir waren überzeugt davon, dass die am Projekt teilnehmenden Menschen mit Beeinträchtigung diese Aufgaben gut übernehmen können, wenn die Rahmenbedingungen stimmen und sie gezielt qualifiziert werden.
Wir fanden die Projektidee gut und waren bereit, diese in die Tat umzusetzen. Denn wir stellen uns in der Einrichtung oft die Frage, wie Altenhilfe noch besser gelingen kann. Wir wollten mit dem Projekt etwas verändern und unser Angebot weiterentwickeln. Ich bin froh und dankbar, dass unsere Mitarbeitenden so gut mitgezogen haben. Wir mussten intern kaum Überzeugungsarbeit leisten.
Die Produktionsfirma Vitamedia hat uns angekündigt, dass wir mit dem Projekt viel Arbeit haben werden, aber auch viel Spaß. Beides ist eingetreten.“
Welche Hürden gab es vor dem Start des Projekts – und welche im Laufe des Projekts?
„Wir waren uns anfangs nicht sicher, ob wir das Projekt inklusive Fernsehdokumentation im laufenden Betrieb durchführen können. Wir wollten, dass das Leben in der Einrichtung normal weitergeht und sich niemand gestört fühlt. Das ist uns ganz gut gelungen, obwohl während der Dreharbeiten natürlich viel los war im Haus.
Das Projekt, das wir in einem von insgesamt drei Wohnbereichen durchgeführt haben, musste intensiv mit vielen Beteiligten vorgeplant werden. Ebenso die Qualifizierung der Menschen mit Beeinträchtigung in den Bereichen Pflege, Betreuung und Hauswirtschaft. Das Weiterbildungszentrum an der Pflegeschule Daun hat die schulische Ausbildung in unserer Einrichtung übernommen. Unsere eigenen Praxisanleiterinnen haben dabei unterstützt.
Eine große Aufgabe war auch die Integration der Menschen mit Beeinträchtigung. Sie sind für das Projekt an die Mittelmosel umgezogen. Dieser Sprung war groß und nicht ganz einfach. Zunächst ging es darum, gut anzukommen, den passenden Wohnraum zu finden, die Begleitung zu organisieren, die Mobilität sicherzustellen sowie den neuen Arbeits- und Ausbildungsplatz kennenzulernen. Uns war und ist es wichtig, dass sich die neuen Mitarbeitenden bei uns wohlfühlen.“
Was für positive Erfahrungen haben Sie gemacht, was hat Sie vielleicht auch positiv überrascht?
„Das Projekt hat uns gezeigt, was alles möglich ist, wenn man mutig neue Wege geht. So ging es beispielsweise um die Umgestaltung eines Wohnbereichs zu einer modernen Wohngemeinschaft. Positiv überrascht hat mich dabei, wie sich mit einfachen Mitteln und der Kreativität der Projektbeteiligten das wohnliche Umfeld besser gestalten lässt.
Was uns das Projekt auch noch einmal vor Augen geführt hat: Die Bewohnerinnen und Bewohner können mehr als wir manchmal annehmen. Sie können und wollen aktiv sein. Umso wichtiger ist es, hierfür die passenden Angebote zu gestalten.
Was wir auch festgestellt haben: Die Menschen mit Beeinträchtigung bereichern das Leben und Arbeiten in unserer Einrichtung ungemein. Sie haben einen besonderen Zugang zu dementen Bewohnerinnen und Bewohnern und nehmen sich Zeit, um mit ihnen zu kommunizieren. Auch wenn der Arbeitsalltag nicht immer einfach ist: Wir haben die Menschen mit Beeinträchtigung ins Herz geschlossen und sie sind zu einem festen Bestandteil unserer Mitarbeiterschaft geworden.“
Wie lautet Ihr Fazit zu dem Experiment – ist es gelungen? Sind die jungen Azubis weiterhin in Ihrer Einrichtung tätig? Wird das Projekt in Ihrem Haus fortgesetzt und evtl. sogar auf weitere Stationen ausgeweitet?
„Wir blicken auf ein gelungenes Projekt, bei dem wir viel gelernt haben. Ich danke allen Beteiligten, die das gemeinsame Projekt mit Begeisterung, Vertrauen und innovativen Ideen mitgestaltet und unterstützt haben.
Die Menschen mit Beeinträchtigung, die in unserer Einrichtung zu Alltagshelfern ausgebildet wurden, haben das Angebot erhalten, über das Projekt hinaus in unserem Altenzentrum tätig zu sein. Aktuell arbeiten fünf von ihnen bei uns in verschiedenen Bereichen, nicht nur im Wohnbereich, sondern auch in der Tagespflege und in der Küche.
Die Veränderungen, die wir im Rahmen des Projekts in einem Wohnbereich erzielt haben, möchten wir nun auf die anderen Wohnbereiche übertragen und das Hausgemeinschaftskonzept auch dort weiter umsetzen.
Wie ist das Feedback Ihrer Heimbewohner zu dem Generationenprojekt? Was hat sich seit der Unterstützung der Alltagshelfer verändert in deren und auch im Alltag der Pflegekräfte Ihrer Einrichtung?
Die Bewohnerinnen und Bewohner sowie deren Angehörige, die wir frühzeitig eingebunden haben, standen unseren Plänen offen gegenüber. Sie waren gespannt auf die Veränderungen im Haus, die den Lebensalltag weiter verbessern sollten. Zu den Menschen mit Beeinträchtigung haben sie schnell eine gute Beziehung aufgebaut und sie wissen deren Einsatz und die gemeinsamen Aktivitäten zu schätzen. Sie sind dankbar für die Zeit, die sie zusammen verbringen können.
Die Menschen mit Beeinträchtigung entlasten das Pflege- und Betreuungspersonal und unterstützen uns bei der Umsetzung des personalintensiven Hausgemeinschaftskonzepts. Mit dem neuen Konzept sind die Bewohnerinnen und Bewohner mehr in den Tagesablauf integriert und wirken ausgeglichener.
Durch das gemeinsame Arbeiten mit Menschen mit Beeinträchtigung haben sich manche Sichtweisen der Mitarbeitenden verändert.
Wie ist das Feedback der jungen Azubis? Wie geht es ihnen heute?
Wir haben von ihnen, aber auch von ihren Angehörigen viele positive Rückmeldungen erhalten. Sie sind zu Recht stolz, bei uns eine anerkannte Qualifizierung zu Alltagshelfern erworben zu haben. Über unser Angebot zur Weiterbeschäftigung in unserem Altenzentrum haben sie sich sehr gefreut. Das Projekt war für sie eine wertvolle Erfahrung, sie haben sich persönlich und beruflich weiterentwickelt und sind selbstständiger geworden. Das gilt auch für diejenigen, die nicht mehr bei uns sind, aber vielleicht wiederkommen möchten. Die bei uns Tätigen fühlen sich wohl.
Würden Sie das Generationenprojekt „Herbstresidenz“ auch anderen Einrichtungen empfehlen?
Das Projekt hat uns gezeigt, dass Menschen mit Beeinträchtigung vielfältige Aufgaben in verschiedenen Bereichen unserer Einrichtung übernehmen können und dadurch das Pflege- und Betreuungspersonal unterstützen und entlasten. Daher ist es auch für andere Altenzentren interessant und durchaus empfehlenswert. In unserem Unternehmen ist dazu bereits ein Folgeprojekt im Altenzentrum St. Johannes in Mayen gestartet. Wir freuen uns, wenn unser Projekt auch andere inspiriert und wir geben unsere Erfahrungen gerne weiter.