So., 03.12.17, 00:15 Uhr: Aufwachsen im Nahostkonflikt

"Drei Leben – Jugend zwischen den Fronten" – eine Langzeitdokumentation

Verschiedene Lebenswelten, eine gemeinsame Herausforderung: Die Suche nach Glück und der persönlichen Freiheit in Israel und den palästinensischen Gebieten. RTL zeigt unter dem Titel „Drei Leben – Jugend zwischen den Fronten", am So., 03.12., 00:00 Uhr, eine 60-minütige Langzeitdokumentation, über drei 16jährige Jungen, die zwar nah beieinander aufwachsen, aber in völlig unterschiedlichen Welten leben.

Die Dokumentation, die eine Produktion in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, zeichnet ein sehr bewegendes Bild vom Alltag israelischer und palästinensischer Jugendlicher aus Israel und dem Westjordanland. Vor allem aber macht sie deutlich, wie sehr das Leben vorbestimmt ist in Abhängigkeit von dem Ort, an dem man geboren wurde.

Raschel Blufarb ist Absolventin der RTL-Journalistenschule, war Autorin bei Stern TV und arbeitet heute als Nahost-Korrespondentin und Büroleiterin für infoNetwork im Studio Tel Aviv.

Für die RTL-Langzeitdokumentation hat die Journalistin drei Teenager ein Jahr lang mit der Kamera begleitet. Baraa, ein Palästinenser aus dem Westjordanland, Ashi aus einer jüdischen Siedlung im Westjordanland und Roi aus der israelischen Metropole Tel Aviv. Die Autorin geht der Frage nach, ob es Normalität in einem Umfeld und Krieg und Gewalt geben kann, ob man sich unabhängig von seinen Wurzeln, seiner Religion und seiner Nationalität frei entwickeln kann.

Raschel Blufarb: „Die Hoffnung liegt darin, dass die heranwachsenden Generationen es schaffen, sich von rein religiösen Denkmustern zu lösen und jenseits ihrer Herkunft neue Wege finden, aufeinander zuzugehen."

Baraa lebt in Hebron im Westjo danland. Er leidet unter den Soldaten der israelischen Armee, die in Hebron das sagen haben, ihn schikanieren und demütigen. Sie nehmen ihn mehrfach fest. „Letztes Mal als ich verhaftet wurde, haben sie mich in ein kleines Zimmer gesperrt. Es gab kein Licht dort, ich konnte weder sitzen noch stehen. Seitdem habe ich irgendwie den Verstand verloren." Demnächst soll sein Fall vor einem israelischen Gericht verhandelt werden. Baraa sehnt sich nach einem unbeschwerten Leben in Freiheit, er träumt davon, Tel Aviv zu sehen und dort im Meer zu baden.

Roi lebt in Tel Aviv und interessiert sich mehr für Partys als für Politik. Er akzeptiert keine Autoritäten, hat Probleme mit seinen Lehrern und steht kurz davor, die Schule ohne Abschluss zu beenden. Sein Ehrgefühl verbietet es ihm, bei seinen Lehrern um Verzeihung für sein Verhalten zu bitten. Trotzdem ist er dankbar, dass er bislang noch nicht von der Schule geflogen ist. „Ich bin froh, dass die mich nicht aufgeben. Ich hätte mich schon längst aufgegeben." Seine Mutter hofft, dass die israelische Armee ihn disziplinieren wird, wenn er nach der Schule zum Wehrdienst muss.

Ashi lebt in einer jüdischen Siedlung im Westjordanland und ist streng religiös. Er ist davon überzeugt, dass Gott das Land Israel den Juden geschenkt hat und verteidigt seinen Glauben vehement. Er möchte Arzt werden, weil er Menschen helfen will. Gleichzeitig beeinflusst ihn seine Überzeugung selbst dann, wenn er als Rettungssanitäter einem palästinensischen Patienten helfen soll. Als ein Nachbarhaus abgerissen werden soll, weil es auf palästinensischem Boden steht, besetzt er das Haus und verbarrikadiert sich darin. „Wenn du mich fragst, ob wir im Krieg leben, ja."

Die episodisch erzählte Langzeitdokumentation gewährt einen authentischen Einblick in das Leben und die Entwicklung dreier sehr unterschiedlicher Jugendlicher, die nur wenige Kilometer voneinander getrennt sind und doch in komplett unterschiedlichen Realitäten groß werden. 

 

Raschel Blufarb im Interview:

Wie ist die Idee zu dem Thema entstanden?
Ich bin Mutter geworden und habe mich unweigerlich gefragt, wie man in dieser Gesellschaft, in dieser Region der Welt aufwächst. Was für eine Kindheit, was für eine Jugend hat man in Israel und den palästinensischen Gebieten, und wie beeinflusst der Konflikt das Aufwachsen in diesem Teil der Welt? Ich habe in meiner täglichen Arbeit als Korrespondentin sehr viele unterschiedliche Lebenswelten von Israelis und Palästinensern kennengelernt. Dabei ist mir aufgefallen, dass man sich nicht kennt und wahrscheinlich nie begegnen wird. Und doch sind die Träume der Jugendlichen vielleicht ähnlicher, als viele meinen. Mich beschäftigt daher auch die Frage, ob vielleicht vieles anders wäre in diesem Konflikt, wenn man sich kennen würde.

Wie bist du auf die drei Jungen aufmerksam geworden?
Mein Team und ich waren viele Monate in Schulen, Skateparks, an Stränden, auf Straßen im ganzen Land unterwegs, um mit Jugendlichen zu sprechen. So haben wir letztlich diese drei Jungs gefunden.

Was sind deine prägendsten Eindrücke aus dem Jahr?
Die Abwärtsspirale, die Baraa aus Hebron in diesem Jahr durchlebt hat, hat mich sehr bewegt. Sein psychischer Zustand hat sich von Monat zu Monat verschlechtert, und niemand konnte ihm helfen. Ich habe seine Eltern gesehen, wie sie versucht haben, ihren Sohn vor der Realität zu beschützen. Ich selbst habe ihn auf seinem Weg zum israelischen Militärgericht begleitet. Das waren sehr prägende Momente.

Was hast du gelernt in dem Prozess des Dokumentarfilmes?
Egal wie sehr die Leben der Jugendlichen sich voneinander unterscheiden, im Endeffekt sind sie sich doch sehr ähnlich. Alle Jugendlichen haben Träume und Wünsche, sind voller Lebensfreude und Hoffnung. Alle drei sind schlicht unsichere Jugendliche, auf der Suche nach sich sel st, nach Liebe und Anerkennung, egal wo sie leben oder woran sie glauben.

Kann es in diesem Umfeld für diese Jungen überhaupt Normalität geben?
Ich denke, es gibt immer ein Streben nach Normalität, die Suche danach. Ich habe bei den Jugendlichen stets Hoffnung in den Augen gesehen, egal wie hoffnungslos alles schien, und einen großen Willen, etwas zu erreichen, Und doch scheint es, als würde der schwelende Konflikt alle und alles beeinflussen und auch irgendwie vergiften. Es scheint kein Entkommen zu geben.

Wirst du die drei Jugendlichen zu einem späteren Zeitpunkt nochmal treffen um zu sehen was aus Ihnen geworden ist?
Ja, Wir sind weiterhin mit allen Jugendlichen und deren Familien in engem Kontakt, und werden sie weiter begleiten. Wir hatten ein schwieriges, intensives, aber auch lustiges Jahr mit vielen außergewöhnlichen Momenten.