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Strafe

Inhalt

STRAFE. Sechs Filme. Sechs Abgründe: „Strafe“ ist der erfolgreiche Kurzgeschichten-Band des internationalen Bestsellerautors, Strafverteidigers und Drehbuchautors Ferdinand von Schirach. Jetzt werden sechs Geschichten daraus für RTL+ auf außergewöhnliche Weise verfilmt – von sechs der bedeutendsten deutschsprachigen Regisseur:innen: Helene Hegemann („Axolotl Overkill“), Mia Spengler („Back for Good“), Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“), Patrick Vollrath („7500“), Hüseyin Tabak („Deine Schönheit ist nichts wert“) und David Wnendt („Feuchtgebiete“).

Die Regisseur:innen nehmen sich jeweils einer der packenden Storys an und setzen diese formal unabhängig und mit eigener, kreativer Freiheit individuell um. Eine Werkschau und ein faszinierendes Regie-Portfolio mit starken, unverwechselbaren Einzelstücken in einer großen filmischen Bandbreite – und mit einer literarischen Vorlage eines millionenfach verkauften internationalen Bestsellers.

Von Schirachs Geschichten kreisen um den tödlichen Abgrund von Strafe und Bestrafung, Schuld und (Selbst-)Justiz: mal als Ehedrama, Psychothriller oder als rückwärts erzählte Kriminalgeschichte – und immer mit überraschenden Wendungen und Pointen. Seine Geschichten konfrontieren mit moralischen Konflikten, die nicht eindeutig lösbar sind. Sie führen vor Augen, dass Recht und Gerechtigkeit zwei sehr unterschiedliche Dinge sind. Denn in „Strafe“ kommt so manche:r Schuldige juristisch ungestraft davon.

Cast

Folgende Schauspieler:innen werden unter anderem in der Anthologie zu sehen sein: Josef Bierbichler („Zwei Herren im Anzug“, „Winterreise“), Jule Böwe („Gefangene“, „Das kalte Herz“, „Das letzte Schweigen“), Olli Dittrich („Dittsche - Das wirklich wahre Leben“, „Schorsch Aigner - Der Mann, der Franz Beckenbauer war“), Katharina Hauter („Ein Geschenk der Götter“, „Fremde Tochter“), Elisa Hofmann („Das Duo - Die Verführten“, „Tatort - Schattenleben“), Sahin Eryilmaz, Jan Krauter („Krieg der Träume“, „Deutschland `89“), Thomas Loibl („Toni Erdmann“, „Die Wannseekonferenz“), Hans Löw („Alles ist gut“, „In my Room“), Cosmina Stratan („Jenseits der Hügel“, „Shelley“, „Dragoste 1: Câine“) sowie die Deutschrapperin Ebru „Ebow“ Düzgün u.v.w.

Hintergrund

Verfilmt wird die Anthologie für RTL+ von der Produktionsfirma MOOVIE GmbH. Executive Producer ist Oliver Berben, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Constantin Film AG und Vorstand TV, Entertainment & Digitale Medien der Constantin Film AG. Produziert wird „Strafe“ von Jan Ehlert, Geschäftsführer Constantin Television, der u.a. bereits für die Schirach-Verfilmungen „Verbrechen“, „Schuld“, „Feinde“ und „Glauben“ verantwortlich zeichnete – zusammen mit Sarah Kirkegaard, Geschäftsführerin MOOVIE und Produzentin u.a. von „In Zeiten des abnehmenden Lichts“, „Parfum“ und „Der Club der singenden Metzger“ sowie Laura Machutta, Herstellungsleiterin und Geschäftsführerin MOOVIE. Ausführende Produzentin ist Susanne Hildebrand, Producerin ist Tara Biere. Für RTL+ ist Brigitte Kohnert redaktionell verantwortlich unter der Leitung von Hauke Bartel, Bereichsleiter Fiction Mediengruppe RTL Deutschland. Die Kurzgeschichten wurden von den Regisseur:innen selbst zu Drehbüchern adaptiert und teilweise in Zusammenarbeit mit Autor:innen wie Bernd Lange, Brix Vinzent Koethe und Esther Preußler entwickelt.

Die Dreharbeiten zur Anthologie fanden von Juli bis November 2021 in Berlin und Umgebung, im bayerischen Voralpenland sowie an verschiedenen Standorten in Nordrhein-Westfalen statt. Die Produktion wird vom FilmFernsehFonds (FFF) Bayern, vom Medienboard Berlin-Brandenburg sowie von der Film- und Medienstiftung NRW gefördert.

Die Anthologie wird ab dem 28. Juni 2022 auf RTL+ Premiere feiern. Alle sechs Filme werden dann im Boxset abrufbar sein.

„Strafe“ ist Teil der Genre-übergreifenden Fiction-Offensive von RTL+ in Zusammenarbeit mit RTL und VOX. Hier gehen starke Geschichten in Serie mit Deutschlands Bestbesetzung – vor und hinter der Kamera: von Alexandra Maria Lara, Narges Rashidi und Iris Berben über Heiner Lauterbach, Lars Eidinger, Moritz Bleibtreu, Henning Baum, Christoph Maria Herbst, Peter Kurth, Ralf Husmann, Nico Hofmann, Oliver Berben, Sherry Hormann, Lutz Heineking, jr., und vielen weiteren einzigartigen Kreativen. Alle RTL+ Fiction-Projekte finden Sie hier im Media Hub.

„Strafe“ ist bereits das zweite Projekt von Ferdinand von Schirach für RTL+. Mit der Verfilmung „Ferdinand von Schirach - Glauben“ feierte der ehemalige Strafverteidiger und heutige Schriftsteller bereits in 2021 eine besondere und zugleich preisgekrönte Premiere. Zum ersten Mal verfasste er ein Drehbuch als alleiniger Autor: Auf dem renommierten „Canneseries Festival“ an der Côte d’Azur wurde die Produktion „Glauben“ der MOOVIE mit RTL+ bei der Preisverleihung mit gleich zwei Preisen der Abräumer des Abends. So wurde die Serie nach den Original-Drehbüchern des Bestsellerautors Ferdinand von Schirach in der Kategorie „Bestes Drehbuch“ und für die besondere Innovation und Gesamtleistung der Produktion mit dem „Dior Grand Prize“ ausgezeichnet. Als einzige deutsche Produktion im Wettbewerb setzte sich das Justiz-Drama gegen die internationale Serienkonkurrenz durch.

Helene Hegemann

Die Regisseurin und Autorin Helene Hegemann gewann durch ihren Debütroman „Axolotl Overkill“ im Jahr 2010 an Bekanntheit. Mit der Verfilmung ihres Romans, bei der sie selbst Regie führte, feierte sie ihre Premiere beim Sundance Filmfestival 2017 und wurde mit dem „World Cinema Dramatic Special Jury Award for Cinematography“ ausgezeichnet. Des Weiteren erhielt ihr Film „Torpedo“, wozu sie das Drehbuch bereits im Alter von 14 Jahren schrieb, 2009 den „Max-Ophüls-Preis“. Die Regiearbeit der Berlinerin zeichnet sich durch atmosphärische Dichte und den unverstellten Blick auf die Aggressivität und Verletzlichkeit ihrer Protagonisten aus.

Zitat Helene Hegemann: Ich habe mir mit Anfang 20 geschworen, niemals etwas zu drehen, das sich an sexueller Gewalt an Frauen abarbeitet; allein deshalb, um diese Gewalt nicht filmisch in Szenen abbilden und dadurch reproduzieren zu müssen. Das ist ein extrem schmaler Grat - zwischen Kritik an Gewalt und der visuellen Wiederholung dieser Gewalt. Im Fall von „Subotnik“ fühlt sich der Umgang mit dem Thema völlig anders an; was nicht zuletzt daran liegt, dass wir in der Umsetzung komplett freie Hand hatten und es von Produzentenseite aus gewünscht war, die Story nicht nur abzubilden, sondern sie zu transformieren und die eigene Haltung Teil von ihr werden zu lassen. Sie ist die Grundlage für einen Film über zu Opfern gemachte Frauen, die trotz ihres Leids als selbstbestimmte, unabhängige Menschen auftreten können. Das Personal ist fantastisch; die junge Kurdin, die sich aus der Unterdrückung ihrer strengreligiösen Familie befreit, nach Unabhängigkeit und Gerechtigkeit sucht, bedingungslos an das geschriebene Gesetz zu glauben beginnt; und am Ende dann wegen juristischer Akribie für die Freilassung eines brutalen Menschenhändlers sorgt. Ihr gegenüber eine rumänische Zwangsprostituierte, genauso alt wie sie, die mutig genug war, diesen Menschenhändler zu verklagen. Und ihm als ebenbürtiger Gegner im Gerichtssaal gegenübertritt. Wenn sie auf rumänisch von der Gewalt erzählt, die ihr angetan wurde, wird in „Subotnik“ der Bericht von einem deutschen Übersetzer wiederholt; aus Ich-Perspektive. Der Mann übernimmt die Schilderung des Leids, das der Frau angetan wurde und wird im Laufe der Szene praktisch selbst zu ihr. Das ist die Schlüsselszene des Films; wir bilden das Leid einzelner nicht ab, sondern versuchen, es zu etwas zu transformieren, das jenseits geschlechtlicher oder sozialer Zuordnungen jeden Menschen betrifft. Es geht um verschiedene Glaubenssysteme, um einen Western der Geschlechter im Gerichtssaal, um die Schnittstelle zwischen Recht und Moral und um weibliche Solidarität. Und um einen Kampf zwischen Frauen - zu gleichen Teilen hyperrealistisch und abgehoben. All das hat entweder bereits in der Geschichte von Schirach gesteckt; oder es sind Haltungen, die von ihr provoziert wurden. Die künstlerische Freiheit, die uns für die Umsetzung nicht nur zugestanden wurde, sondern zu der wir regelrecht aufgefordert wurden, hat dazu geführt, dass zwei völlig unterschiedliche Sichtweisen dynamisch zu etwas Neuem verschmelzen - ein Phänomen, das mir in jedem der „Strafe“-Filme begegnet. Das finde ich großartig. 

Mia Spengler

Die Regisseurin und Autorin Mia Spengler schloss 2016 ihr Studium der szenischen Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg mit dem Film „Back for Good“ ab, für welchen sie unter anderem den „Studio Hamburg Nachwuchspreis“, den „Günther Rohrbach Filmpreis“, den „FIPRESCI-Award“ sowie den „Bunte New Faces Award“ erhielt. Auch der Kurzfilm der gebürtigen Münchenerin „Nicht den Boden berühren“ wurde beim Filmfestival San Sebastian mit dem „Torino Prize“ in der Kategorie Beste Regie ausgezeichnet. Zu ihren letzten Projekten gehören unter anderem der Kiez Tatort „Die goldene Zeit“ und die ersten drei Folgen der zweiten Staffel „How to Sell Drugs Online (Fast)“ für Netflix.

Zitat Mia Spengler: Als ich die Kurzgeschichte "Die Schöffin" das erste Mal las, machte mich die Hauptfigur Katharina wahnsinnig wütend. Seltsamerweise konnte ich mir gar nicht erklären, warum sie mich so stark triggerte, das hat mich interessiert. Im kreativen Prozess hat sich herausgeschält, dass der Zusammenhang von Mikroaggressionen und physischer Gewalt im Mittelpunkt unseres Films stehen wird. Umso intensiver ich in das Thema einstieg, begann auch bei mir selbst eine Reflektion über autobiographische Situationen, in denen ich Mikroaggressionen ausgesetzt war und es erst jetzt Jahre später während der Arbeit am Film realisierte. Meine anfängliche Wut meiner Hauptfigur gegenüber transformierte sich in Mitgefühl und gab den Blick frei, auch in diesen schweren Themen die humorvollen Momente herauszuarbeiten. Um die Absurdität von patriarchalen Machtverhältnissen in ihrer Grausamkeit, aber auch in ihrer gleichzeitigen Lächerlichkeit zu dechiffrieren und das vermeintlich Unbenennbare klar zu benennen.

Oliver Hirschbiegel

Der Regisseur und Autor Oliver Hirschbiegel hat neben unzähligen großen Fernsehproduktionen vor allem mit seinen Kinofilmen „Das Experiment“ und „Der Untergang“ international Aufsehen erregt. Allein für seinen Kinofilm „Das Experiment“ erhielt er im Jahr 2002 den „Deutschen Fernsehpreis“ für den Kinofilm des Jahres und den „Jupiter Award“ als „Bester deutscher Regisseur“. Ebenso erhielt sein Film „Der Untergang“ sowohl eine Auszeichnung beim Bambi für den „Besten Kinofilm national“ und den „Bayerischen Filmpreis“ für den deutschen Film des Jahres als auch eine Nominierung bei der „Oscar“-Verleihung in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“.

Zitat Oliver Hirschbiegel: "Die höchste Anmut steckt nicht im Ornament, sondern in der einfachen, praktischen Form." Dieser Leitsatz aus dem Chinesischen "I Ging" lässt sich fast zwingend auf das gesamte Werk Ferdinand von Schirachs anwenden. Anmut wie jeglicher Verzicht auf eitle literarische Schnörkel, der Fokus allein gerichtet auf das beschriebene menschliche Schicksal, zeichnet seine Texte aus. Exakt dieser Richtschnur habe ich mich bei der Umsetzung von "Der Taucher" in Bezug auf Dramaturgie und Bildsprache verschrieben.

Patrick Vollrath

Der Regisseur und Autor Patrick Vollrath studierte an der Filmakademie Wien unter anderem bei Michael Haneke. Seinen Abschlussfilm „Alles wird gut“ stellte er 2015 im Rahmen des Kurzfilm-Wettbewerbs in Cannes vor und gewann dafür im selben Jahr den „Student Academy Award“ in Bronze. Ebenso wurde sein Film 2016 für einen „Oscar“ in der Kategorie Bester Kurzfilm nominiert. Der gebürtige Niedersachse gab 2019 mit seinem Thriller „7500“ auf dem Filmfestival in Locarno sein Langfilmdebüt und wurde später mit dem „Österreichischen Filmpreis“ in der Kategorie Bestes Drehbuch ausgezeichnet.

Zitat Patrick Vollrath: Ich habe mit „Das Seehaus“ versucht, einen distanzierten, analytischen Film zu machen, bei dem der Zuschauer die Hauptfigur Felix Ascher zuerst kennen- und vielleicht sogar mögen lernt, um dann brutal vor den Kopf gestoßen zu werden. Der Film behandelt, wie viele Schirach-Geschichten, einen Grenzfall der deutschen Rechtsprechung. Dieser Grenzfall, der sich um die Gedankenfreiheit des Menschen dreht, war es, der mich bei der Kurzgeschichte fasziniert hat. Ich wollte die Zuschauer:innen mit der Frage konfrontieren, wieviel ihnen die Freiheit ihrer Gedanken wert ist, selbst wenn dadurch vor ihren Augen vermeintliches Unrecht geschieht. In einer Zeit, wo wir durch große Tech-Unternehmen immer mehr zum „Gläsernen Menschen“ werden, eine, wie ich finde, wichtige und große Frage. Durchaus bewusst ist die Geschichte und das Psychogram von Felix Ascher aber auch größer deutbar. Nämlich als Personifikation einer Gesellschaft, die sich stets nach dem idealisierten Glück, was sie glaubt in der Vergangenheit erlebt zu haben, sehnt.

Hüseyin Tabak

Der Regisseur und Autor Hüseyin Tabak studierte ab 2006 an der Filmakademie Wien Regie und Drehbuch bei Michale Haneke. Mit seinem Kinodebüt „Deine Schönheit ist nichts wert“ gewann er zahlreiche Preise, unter anderem den „Türkischen Filmpreis“ und den „Studio Hamburg Nachwuchspreis“ in der Kategorie Drehbuch. Auch sein Drama „Gipsy Queen“, bei dem er selbst das Drehbuch schrieb und Regie führte, erfreute sich zahlreicher Preise. Im Jahr 2020 führte Hüseyin Tabak Regie für die Tatort-Folge „Borowski und der Fluch der weißen Möwe“.

Zitat Hüseyin Tabak: Die Freiheit, mit der eigenen Filmhandschrift eine Kurzgeschichte von Ferdinand von Schirach verfilmen zu dürfen, war überaus verlockend. Ich habe meinem ganzen Kreativteam sofort angeordnet: Denkt wieder wie Studenten! Denn als Student hast du noch den Mut, dich künstlerisch auszutoben. Und Schirachs Geschichten sind in sich kleine Kunstwerke und in diesen sich frei bewegen zu dürfen ist, als wenn man in einem Süßwarenladen eingeschlossen wird. Bei „Der Dorn" gibt es nur eine Figur in der Kurzgeschichte und das ist der Museumsführer Herr Feldmayer, der 23 Jahre lang denselben Saal, dieselbe Skulptur bewachen muss. Um ihn herum habe ich eine eigene, neue Welt aufgebaut, von der er sich abkapselt, u.a. durch die düstere Musik von Judit Varga in Kombination mit dem besonderen Blick auf die Geschichte der Kamerafrau Carmen Treichl. Und als am Ende unser Editor Jochen Retter den immer verrückter werdenden Feldmayer in psychedelischen Szenen geschnitten hatte, war der perfekte Thriller für die Zuschauer angerichtet.

David Wnendt

Der Regisseur und Autor David Wnendt absolvierte seine Ausbildung zum Film- und Fernsehregisseur an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam. Seinen Durchbruch feierte er mit seinem Film „Kriegerin“ im Jahr 2011 an der Filmhochschule. Dieser wurde 2012 mit dem „Deutschen Filmpreis“ in Bronze sowie dem Darstellerpreis an Alina Levshin ausgezeichnet. Darauf folgte die Komödie „Feuchtgebiete“, die etwa eine Million Zuschauer:innen in die Kinos lockte, sowie die Hitler-Satire „Er ist wieder da“. Auch dieser Film war ein großer Erfolg und wurde mit dem „Bambi“ in der Kategorie Film National ausgezeichnet sowie mehrfach für den „Deutschen Filmpreis“ nominiert.

Zitat David Wnendt: Die Geschichten von „Strafe“ kreisen um Widersprüche zwischen Recht und Gerechtigkeit, zwischen dem, was ethisch falsch, aber juristisch erlaubt ist, und zeigt Figuren, die auf ganz unterschiedliche Arten ihre Strafe finden. Als ich den Band zum ersten Mal gelesen habe, bin ich sofort bei „Ein hellblauer Tag“ hängengeblieben. Die Geschichte hat mich sehr berührt. Die Hauptfigur „M.“ ist jemand, dem das Leben nicht einmal Zitronen gegeben hat. Ein Wunder geschieht. Sie bekommt ein Kind. Der Moment des Glücks hält nur kurz. „M.“ wird ein Kreuzweg auferlegt, an dem sie fast zerbricht. „Ein hellblauer Tag“ entfaltet sich rückwärts. Wir sehen zunächst das Ende und durchleiden die Geschichte mit Jule Böwe, die die Hauptfigur spielt, bis zum Anfang. Der Anfang scheint harmonisch und glücklich, aber für uns entwickelt er eine besondere Tragik, da wir ja wissen, welches Martyrium auf die Hauptfigur wartet. Ich konnte meine Folge mit großer künstlerischer Freiheit umsetzen. Die Freiheit war möglich durch eine glückliche Fügung, die in der Form vielleicht nicht so schnell wiederkehrt. Alle Elemente kamen in diesem Fall genau richtig zusammen. Zunächst gab es da die großherzige Idee von Ferdinand von Schirach und Oliver Berben, diese Kurzgeschichten als Anthologie zu verfilmen, mit unterschiedlichen Regisseur:innen. Dann wurde mit RTL ein Partner gefunden, der gerade seinen Streamingdienst neu entwickelt und zu diesem historischen Zeitpunkt offen war für neue Inhalte und ambitionierte Formen. Die Kurzgeschichten selbst lassen viel Spielraum, sie inspirieren statt eine bestimmte Interpretation zu diktieren.

SUBOTNIK VON HELENE HEGEMANN

SUBOTNIK handelt von einer jungen Deutsch-Türkin in Berlin, die Anwältin wird,
weil sie daran glaubt, dass das Gesetz die Unversehrtheit des Einzelnen garantiert. In
ihrem ersten Fall verteidigt sie einen Menschenhändler – und verhilft ihm durch ihre
konsequente Anwendung des Gesetzes zu einem verhängnisvollen Freispruch.

Seyma (Rapperin Ebru „EBOW“ Düzgün), Tochter einer türkischen Migrantenfamilie, erkämpft sich nach dem Jurastudium ihren ersten Job in der Kanzlei eines renommierten Rechtsanwalts, genannt „der Alte“ (Josef Bierbichler). Sie übernimmt die Verteidigung eines Russen (Ivan Doan), der als Kopf einer Bande Frauen aus Osteuropa nach Berlin verschleppt und zur Prostitution gezwungen haben soll. Die Beweislage ist dünn – bis es der Staatsanwaltschaft gelingt, eine junge Frau aus Rumänien Vica (Cosmina Stratan) als Belastungszeugin zu präsentieren. Weil sie sich vor dem Angeklagten fürchtet, lässt das Gericht für die Dauer ihrer Aussage den Angeklagten in die Zelle zurückbringen und schließt die Öffentlichkeit aus. Die Zeugin berichtet, wie der Angeklagte sie nach Berlin lockte, indem er ihr als Altenpflegerin das Zehnfache eines rumänischen Durchschnittslohnes versprach. Wie er ihr nach der Grenzkontrolle den Pass abnahm und, als sie sich weigerte, für ihn anzuschaffen, fünf Straßenarbeiter holte, die sie brutal vergewaltigten. Das habe der Angeklagte „Subotnik“ genannt, sagt die Zeugin vor Gericht. Zwei Jahre lang arbeitete sie mit sechs anderen Frauen zusammen für den Angeklagten. Als sie krank wurde, schlug er sie zusammen und zerschnitt ihr das Gesicht. Auf dem Weg zum Krankenhaus kam ihr eine andere Frau, Chloé (Renana Bruckstein), zur Hilfe und setzte ihren Bewacher außer Gefecht. Die Zeugin kehrte zurück nach Rumänien. Unter dem Eindruck der Schilderungen will Seyma ihr Mandat niederlegen, doch die Richterin droht, sie dem Angeklagten als Pflichtverteidigerin beizuordnen. Der Angeklagte wird zu vierzehneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Noch am selben Tag legt Seyma Revision ein, wie es von einer Verteidigerin erwartet wird. Und sie findet einen Verfahrensfehler: Die Vorsitzende hätte die Zeugin nicht entlassen dürfen, bevor der Angeklagte wieder im Saal war. Ein Angeklagter hat das Recht und die Pflicht, an der Hauptverhandlung teilzunehmen und darf darüber mitentscheiden, ob ein Zeuge entlassen wird. Dass die Vorsitzende seine Rechte nicht bewusst beschneiden wollte, und der Angeklagte sie nicht eingefordert hat, spielt dabei keine Rolle. Nachdem der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben hat, wird die Hauptverhandlung vor einer anderen Strafkammer wiederholt. Aber die Belastungszeugin ist verschwunden. Die Eltern erklären, sie sei nie aus Berlin zurückgekommen. Gerüchten zufolge wurde sie ermordet. Weil die anderen Beweismittel nicht für eine Verurteilung ausreichen, muss der Angeklagte freigesprochen werden.

DER TAUCHER VON OLIVER HIRSCHBIEGEL

DER TAUCHER spielt in der tief religiösen bayerischen Provinz und erzählt von einem ungewöhnlichen Fetisch mit Todesfolge. Doch welche Rolle spielt die Frau des Opfers?

Claudia (Katharina Hauter) hat Andreas (Jan Krauter), einen gutaussehenden Ingenieur aus Norddeutschland, über die Arbeit kennengelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick. Er zog zu ihr nach Oberbayern. Sie heirateten. Als Claudia ein Kind bekam, wollte Andreas bei der Geburt dabei sein. Doch das Erlebnis im Kreißsaal hat das sexuelle Verhältnis zwischen ihm und Claudia zutiefst verstört. Andreas leidet unter Depressionen, ist für seine Frau und den gemeinsamen Sohn oft kaum ansprechbar. Fünfzehn Jahre später, es ist Karfreitag, ruft Claudia den Arzt (Johann Schuler): Andreas liegt tot auf dem Bett. Der Arzt verständigt die Polizei, denn er vermutet, dass Andreas stranguliert wurde. Claudia wird verhaftet. Auf dem Polizeirevier werden ihr Gürtel und Schuhbänder abgenommen. Ihrem Strafverteidiger (Thomas Loibl) gegenüber fällt es ihr schwer, sich zu öffnen. Zu groß ist die Scham und die Angst vor Gerede im Dorf. Doch bei der Anhörung – inzwischen ist Ostersonntag – sagt Claudia aus, dass sie ihren Mann mit einem Seil um den Hals am Sprossenheizkörper im Bad hängend gefunden habe. Er trug einen Taucheranzug, der das Gemächt frei ließ. Augenscheinlich hatte er sich zur Luststeigerung beim Masturbieren stranguliert. Claudia schnitt ihn ab, zog ihn aus und wuchtete ihn auf das Bett, bevor sie den Arzt rief. Der Gerichtsmediziner bestätigt, dass man ältere, möglicherweise durch wiederholte Selbststrangulierungen verursachte Verletzungen am Kehlkopf des Toten gefunden habe. Claudia wird freigesprochen. Zwei Wochen später findet die Beerdigung statt. Im Dorf weiß niemand von ihrer Inhaftierung oder von den Umständen, unter denen Andreas starb – und dass es Claudia war, die seinen Kopf gegen das Seil gedrückt hat, bis er ganz ruhig wurde.

DAS SEEHAUS VON PATRICK VOLLRATH

DAS SEEHAUS am Starnberger See bedeutet einem älteren Mann, Außenseiter und von klein auf mit einem äußerlichen Makel behaftet, Heimat und einzige Zuflucht – die er mit brutalen Maßnahmen verteidigt. Er kommt vermeintlich ungestraft davon.

Felix Ascher (Olli Dittrich) wird mit Feuermalen auf der Haut geboren. Als Kind verbringt er viel Zeit mit seinem Großvater (Udo Samel) in dessen Seehaus in Oberbayern. Nach einer Karriere bei einem Versicherungskonzern geht Ascher mit Mitte Fünfzig in den Vorruhestand und bezieht das Haus, das ihm der Großvater hinterlassen hat. Dort lebt er zurückgezogen. Doch als Jahre später die Gemeinde das Gelände am See verkauft und dort Ferienhäuser bauen lässt, ist es mit Aschers Ruhe vorbei. Seine Beschwerden bei der Polizei und sogar beim Ministerpräsidenten bleiben unbeachtet. Eines Tages reinigt Ascher eines der Gewehre seines Großvaters und geht zum Ferienhaus eines Hotelmanagers. Er erschießt die Ehefrau (Lisa Surmann), die allein zuhause ist, und versenkt das zersägte Gewehr im Murnauer Moos. Als Felix Ascher fünf Tage nach der Tat auf der Kellertreppe ausrutscht und sich die Hüfte bricht, fällt einer Polizistin, die sich im Keller umsieht, das fehlende Gewehr im Waffenschrank auf. Da die Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen gegen Ascher nicht weiterkommt, werden in seinem Krankenzimmer Abhörmikrofone installiert. Ascher führt Selbstgespräche über die Tat. Er wird als Mordverdächtiger angeklagt. Doch da Selbstgespräche als gesprochene Gedanken gewertet werden und somit zur Intimsphäre des Menschen gehören, dürfen sie nicht als Beweismaterial verwendet werden. Das Gericht hebt den Haftbefehl auf. Felix Ascher stirbt Jahre später als freier Mann. Er kehrt nicht in das Seehaus zurück.

DIE SCHÖFFIN VON MIA SPENGLER

Die Aussage einer Frau gegen ihren gewalttätigen Ehemann berührt DIE SCHÖFFIN zu Tränen. Ob ihrer Befangenheit platzt der Prozess, der Angeklagte wird vorübergehend aus der Untersuchungshaft entlassen. Wenig später tötet er seine Frau.

Als Katharina (Katharina Rudolph) 14 Jahre alt ist, beginnt der Vater (Konrad Singer), zu dem sie ein enges Verhältnis hatte, eine Affäre mit seiner jüngeren Assistentin. Die Eltern trennen sich, die Mutter zieht der Tochter weg, Katharina sieht ihren Vater nie wieder. Während ihres Politikstudiums ist Katharina das erste Mal in einer toxischen Beziehung mit einem Mann (Felix, gespielt von Nico Holonics), dessen Karriere sie unterstützt – ein Muster, das sich fortsetzen wird. Nach einem Nervenzusammenbruch nimmt sie eine Anstellung als Pressesprecherin eines Unternehmens in Hamburg an, wo sie sich auf eine Affäre mit ihrem Chef Arwed (Slavko Popadic) einlässt. Als das Landgericht sie für fünf Jahre zur Schöffin beruft, versucht Katharina vergeblich, dieser sie überfordernden Aufgabe zu entgehen. Gleich beim ersten Fall bricht sie in Tränen aus, weil das Geschilderte sie persönlich berührt: Sie erkennt sich selbst in den Schilderungen der Belastungszeugin Liane (Kathrin Angerer) wieder. Die Verteidigerin des Angeklagten – es ist der Ehemann der Zeugin Gerald Matzner (Roland Bonjour) – stellt einen Befangenheitsantrag gegen die Schöffin, und weil kein Ersatz verfügbar ist, platzt der Prozess. Der gewalttätige Angeklagte, der seine Frau schwer misshandelt haben soll, kommt frei. Vier Monate später erschlägt er seine Frau mit einem Hammer.

EIN HELLBLAUER TAG VON DAVID WNENDT

EIN HELLBLAUER TAG erzählt von einer Frau, die, um ihren Mann zu schützen, die Schuld am Tod des Kindes auf sich genommen hatte. Dann erfährt sie, dass es nicht, wie er behauptete, ein Unfall war. Nachdem sie jahrelang unschuldig im Gefängnis saß, wird die Frau am Tag ihres Freigangs tatsächlich zur Mörderin.

Die Angeklagte (Jule Böwe), eine Frau Ende Dreißig aus nicht ganz einfachen Verhältnissen, wird zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Gericht hält sie für schuldig, ihren Säugling getötet zu haben, weil sie das ständige Schreien nicht mehr ertrug und von der Situation überfordert war. Sie verbüßt ihre Strafe und wird aus dem Gefängnis entlassen. Ihr Ehemann (Patrick Joswig) hat sie kein einziges Mal besucht und holt sie auch nicht ab. Er sitzt zu Hause vor dem Fernseher, als sie nach Jahren – an einem hellblauen Tag – dorthin zurückkehrt, und hat gerade eine neue Satellitenschüssel gekauft. Um sie anzubringen, trägt er einen Stuhl auf den Balkon und steigt darauf. Seine Frau kommt aus dem Kinderzimmer, in dem noch die Wiege ihres Babys steht, auf den Balkon, sieht den Mann und tritt gegen den Stuhl. Der Mann stürzt vier Etagen tief. Jahre zuvor, als die Frau vom Einkaufen kam, war ihr Kind bereits tot. Der Mann behauptete, es sei ihm aus der Hand gerutscht. Er drängte sie, die Schuld auf sich zu nehmen, weil er selbst bereits wegen Raub und Körperverletzung vorbestraft war. Erst während ihrer Zeit in Haft, die sie in der Gefängnistischlerei verbrachte und ihre Trauer verarbeitete, wurde der Frau klar, dass der Mann sie belogen hatte: Es war kein Unfall gewesen, er hatte ihr Baby bewusst getötet. Jetzt ist er tot, und sie wird erneut festgenommen. Der Staatsanwalt ist überzeugt, dass sie ihren Mann umgebracht hat, kann es jedoch nicht beweisen. Sie wird freigesprochen.

DER DORN VON HÜSEYIN TABAK

In DER DORN gerät ein introvertierter Museumswächter in den Bann des von ihm bewachten „Dornausziehers“, einer antiken Marmorstatue, der etwas Entscheidendes zu fehlen scheint… und droht darüber den Verstand zu verlieren.

Mit 35 Jahren tritt Feldmayer (Hans Löw) eine neue Stelle als Wächter im Antikenmuseum an. Normalerweise rotieren die Wachmänner regelmäßig von Raum zu Raum. Doch weil seine Karteikarte in der Personalabteilung verlorengeht, bleibt Feldmayer immer in der gleichen Halle. Er beschwert sich nicht, sondern versucht der Sache etwas abzugewinnen, indem er nach und nach den gesamten Raum ausmisst, die Stubenfliegen beobachtet, die Besucher:innen zählt und Spekulationen über sie anstellt. Doch je mehr Feldmayer sich an seinen einsamen, eintönigen Alltag gewöhnt, desto mehr beginnt die Museumstätigkeit ihn auch privat zu verändern. Er zieht sich zurück, wird eigenbrötlerisch, räumt seine Wohnung leer, passt jeden seiner Schritte einem festgelegten, immergleichen Rhythmus an. Nach acht Jahren als Wächter macht Feldmayer eine unerwartete Entdeckung. Der antiken Statue, die in dem von ihm bewachten Raum steht, fehlt etwas Entscheidendes: „Der Dornauszieher“, ein Knabe aus Marmor, sitzt über die eigene Ferse gebeugt, als wolle er etwas herausziehen – doch der Dorn selbst ist nirgendwo zu sehen, weder in der Hand noch am Fuß der Figur. Feldmayer findet ihn selbst mit einer Lupe nicht. Die Sache lässt ihm keine Ruhe, bereitet ihm schlaflose Nächte. Er steigert sich hinein in die Vorstellung, er müsse das Problem lösen, den Knaben von seinem Schmerz erlösen. Schließlich weiß Feldmayer, was zu tun ist. Er kauft gelbe Reißnägel, geht damit in ein Schuhgeschäft. Als sich kurz darauf ein Kunde beim Anprobieren schreiend einen Reißnagel aus dem Fußballen zieht, fühlt sich Feldmayer auf eigentümliche Art beglückt. Nachts träumt er, der marmorne Knabe ziehe sich den Dorn aus dem Fuß und winke ihm lachend zu. Doch die Ruhe hält nicht lange an… Nach dreiundzwanzig Jahren, am Tag seiner Pensionierung, stemmt Feldmayer die Statue vom Sockel und zerschlägt sie. Einen Moment lang glaubt er, in den umherfliegenden Marmorsplittern den Dorn zu erkennen, nach dem er gesucht hatte – und beginnt zu lachen. Die Polizisten, die Feldmayer nach Hause bringen, sehen, dass die Wände mit Tausenden von Fotos tapeziert sind. Das Motiv ist immer gleich, an unterschiedlichen Orten: Menschen, die sich einen gelben Reißnagel aus dem Fuß ziehen. Die Staatsanwaltschaft beauftragt ein psychiatrisches Gutachten. Als jedoch klar wird, dass auch die Museumsdirektion zur Verantwortung gezogen werden würde – dafür, dass sie Feldmayer ein knappes Jahrhundert in einen Raum gesperrt hatten – wird das Verfahren gegen ihn eingestellt.

Komponist Volker Bertelmann

Der erfolgreiche Komponist Volker Bertelmann komponierte das Titelthema für die Anthologie STRAFE. Die Herausforderung dabei war, die sechs gänzlich unterschiedlichen Filme durch ein musikalisches Thema zu verbinden. Zurückhaltend, subtil, dennoch prägnant und innovativ.
Volker Bertelmann komponierte und produzierte ein ebenso anspruchsvolles wie eingängiges Thema mit komplexer Instrumentierung und elektronischen Elementen. Als eine Art „Baukastensystem“ angelegt wurde so für jede einzelne Folge das Thema in der Mischung noch einmal individuell abgestimmt, um jedem Werk der sechs Regisseur:innen gerecht zu werden, Titelthema und Film harmonisch zu verbinden und gleichzeitig einen Bogen über alle sechs Folgen der Anthologie zu spannen.

Comedian, Schauspieler und Musiker Olli Dittrich über seine tragische Rolle in der Ferdinand-von-Schirach-Verfilmung „Das Seehaus“

„Was jetzt genau richtig war - für meine Arbeit und meinen Weg: Dass es diesmal absolut keine komische Rolle ist. Ich könnte fast sagen, lange habe ich darauf gewartet, plötzlich war das Angebot da und mir war sofort klar: Das ist es jetzt, das muss jetzt sein.“

Komplettes Interview

Heute sind wir am Set von „Das Seehaus“. Herr Dittrich, können Sie uns erzählen, welche Rolle Sie hier in dem Film spielen?

D:
Ich spiele die Hauptfigur, Felix Ascher. Felix Ascher ist eine sehr zwiespältige, zerrissene, letztlich hilflose Person, wie sich im Laufe des Films vor dem Hintergrund besonderer Geschehnisse herausstellt. Und hier ist sofort der Unterschied zu den meisten handelsüblichen deutschen Krimis sichtbar, das war schon beim ersten Lesen des Drehbuchs klar: keine großes Opening mit TamTam am Tatort, keine mysteriöse Leiche, keine Polizisten hinter rot-weißem Flatterband oder Spurensicherer in weißen Schutzanzügen, keine Verfolgungsjagden, keine Special Effects, keine Action-Szenen oder Autos, die in die Luft fliegen. Es beginnt eher harmlos, fast idyllisch und nimmt sich Zeit. Wir lernen das Psychogramm eines Mannes kennen, um zu verstehen, warum aus ihm das wurde, was er ist und später das tut, was er tut. Warum er letztlich aus Überforderung und Hilflosigkeit immer unberechenbarer wird und Grenzen überschreitet, die ein normaler, vernünftiger Mensch - selbst in einer vergleichbar verzweifelten Lage - niemals überschreiten, sondern andere Lösungen finden würde.

Warum ist „Das Seehaus“ so spannend?

D:
Es geht um eine furchtbare Tat, bei der Täter und Details des Verbrechens eigentlich klipp- und klar sind. Und trotzdem: bei der die Rechtsprechung an ihre Grenze kommt. Recht haben und Recht bekommen ist ja oft zweierlei. Wir kennen das von zahlreichen anderen, teilweise äußerst kontrovers diskutierten Schirach-Geschichten, die Grenzfälle der Rechtsprechung zur Basis haben. So ist es auch hier. In einer entscheidenden Szene am Ende der Gerichtsverhandlung heißt es sinngemäß: der Unrechtsstaat unterscheidet sich vom Rechtsstaat eben darin, dass der Rechtsstaat nicht um jeden Preis die Wahrheit ermitteln darf.
Unabhängig von der juristischen Komplexität, den ungewöhnlichen Ermittlungsmethoden und der Verblüffung über das hier gezeigte Urteil ist es schlicht ein absolut außergewöhnlicher Film geworden. Mit einer ganz eigenen, fesselnden Erzählweise und einer absolut stilsicheren, ästhetischen Bildsprache. Der Film nimmt sich Zeit. Keine Effekthascherei, keine hektischen Schnitte. Man wird Stück für Stück, fast unmerklich, in ein wirklich düsteres Szenario hineingezogen. Und das ist natürlich in erster Linie das Verdienst des Drehbuchautoren und Regisseurs Patrick Vollrath. Patrick war Student bei Michael Hanecke, hat schon in seinen jungen Jahren eine Oscar-Nominierung für seinen Kurzfilm „Alles wird gut“ erhalten und sein letztes Werk „Code 7500“ beispielsweise wurde mit zahlreichen Nominierungen und Filmpreisen ausgezeichnet. Die Arbeit mit ihm war unglaublich spannend, lehrreich, effektiv. Und ich hatte die große Ehre und Freude, mit einer Legende der Kamera-Kunst zusammenzuarbeiten: Jürgen Jürges. Jürgen ist ja Gründungsmitglied der Deutschen Filmakademie und hat mit Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff oder Wim Wenders gedreht. Ich war wirklich fasziniert von seiner Klarheit, seiner Stilsicherheit, seinen unglaublich ästhetischen Bildern. Und von seiner Ruhe und Fitness beim Drehen, er ist immerhin schon 81 Jahre alt.


Worum genau geht es bei „Das Seehaus“?

D:
Es beginnt ganz harmlos. Felix Ascher erbt das Haus seines Großvaters. Ein wunderschönes, imposantes Gebäude mit großem Grundstück, direkt am See gelegen, aber etwas heruntergekommen und stillos eingerichtet. Nach dem Tod seiner Mutter, die zuletzt dort alleine wohnte und mit der er kein gutes Verhältnis hatte, geht das Haus nun auf ihn über. Ascher kommt also nach Jahren zurück an diesen besonderen Ort, an dem er die schönste Zeit seines Lebens verbracht hatte, als Kind, bei seinem Großvater in den Ferien. Er ist jetzt frühpensioniert, hat Geld beiseitegelegt und will dieses Haus von Grund auf renovieren, möglichst wieder in jenen Zustand versetzen, wie es zu Lebzeiten seines geliebten Großvaters war. Und so kommt er langsam in die Idylle seiner Kindheit zurück, mit der Perspektive auf einen goldenen, wunderbaren Lebensspätsommer. Und dann fängt der Ärger an. Die Idylle um ihn herum wird durch einen für ihn nicht nachvollziehbaren Gemeinderatsbeschluss peu à peu zerstört. Ascher versucht sich natürlich zu wehren, anfangs ist man auch ganz sicher auf seiner Seite, seine Verzweiflung ist ja verständlich, seine Hilflosigkeit fühlt man absolut mit. Aber ab einem bestimmten Punkt klappt das nicht mehr, dann wendet sich das Blatt. Dann kippt die Story und das Charakterbild zeigt immer mehr düstere Abgründe. Das war es, neben der fesselnden Geschichte, was mich vom ersten Moment an, als ich das Drehbuch gelesen hatte, so fasziniert hat. Das besonders Abwegige in der Figur, dieses ungewöhnliche Täterbild. Ich habe mich in der Vorbereitung auf die Rolle auch ausführlich mit einer Forensischen Psychaterin ausgetauscht, die strafrechtliche Gutachten erstellt. Das war wirklich aufschlussreich, auch beängstigend irgendwie, womit man es da so zu tun bekommen kann. Natürlich war mir klar, dass ich Felix Ascher nur dann halbwegs glaubhaft darstellen kann, wenn ich an die kaputte Seele, an die Abgründe einer solch zerrissenen Person herankomme. Ohne zu übertreiben, ohne Charge. Von innen nach außen, sozusagen. Wobei das sowieso immer mein Weg ist, auch bei lustigen, skurrilen oder tragikomischen Figuren. Ich habe schon nach der ersten Seite des Drehbuchs Felix Ascher vor mir gesehen oder besser: bin unmerklich schon in den Szenen herumspaziert. Ein wirklich fesselndes Drehbuch. Mein Freund Nicholas Ofczarek hat mir mal gesagt, es gibt für ihn diese Drei-Seiten-Regel: Wenn er nach drei Seiten nicht gepackt ist, dann wird es auch nach zehn nichts mehr werden.

 

War das vielleicht auch der Grund, warum Sie gesagt haben, da möchten Sie mitwirken?


D:
Die Basis der Komödie ist die Tragik, das Absurde, das Scheitern, mitunter die skurrile Überraschung, die mit einer guten Pointe abschließt. Es darf gelacht werden! Das kennen die Leute von mir, aus zig Geschichten mit immer neuen Figuren. Was jetzt genau richtig war - für meine Arbeit und meinen Weg: Dass es diesmal absolut keine komische Rolle ist. Ich könnte fast sagen, lange habe ich darauf gewartet, plötzlich war das Angebot da und mir war sofort klar: Das ist es jetzt, das muss jetzt sein.


Konnten Sie das Urteil verstehen, das Ihre Filmfigur am Ende erhält?

D:
Nachdem ich die ausführliche Erklärung auf der Basis bestehender Gesetze dazu erfahren habe, sachlich schon – emotional und vom gesunden Menschenverstand her natürlich nicht wirklich. Das ist schon ein Grenzfall der Rechtsprechung, wie wir das in Ferdinand von Schirachs Geschichten gut kennen.
Ich habe mich mit dem Obersten Richter, der in unserem Film das Urteil verliest, ausführlich darüber unterhalten. Solche Fälle, sagte er mir, sind „one in a million“-Fälle und eine echte Herausforderung. Was ist wirklich gerecht? Wo kommen Gesetze ganz klar an ihre Grenzen? Er ist im Übrigen kein Schauspieler, sondern tatsächlich amtierender Richter. Eine kluge Entscheidung unseres Regisseurs Patrick Vollrath, diese Figur und die gesamte Strafkammer nicht mit Darstellern, sondern mit echten Richtern zu besetzen. Die Authentizität im Gerichtssaal war echt bedrückend, Wortwahl und Tonalität des sehr langen Urteilstextes hätte niemand besser und glaubhafter rüberbringen können, als er.

Sie haben gesagt, Sie haben ein bisschen drauf gewartet, auf genau so eine Rolle. Reizt es Sie dann auch sehr, in so eine Rolle zu schlüpfen? Und können Sie sich auch vorstellen, das weiterhin machen zu wollen?

D:
Ja klar. Natürlich wird man, wenn man mit einer Sache erfolgreich wird, erstmal in eine Schublade gesteckt. Das war in meinem Fall sicher das Fach „Comedy“. Durch das Glück, quasi als Pionier im Ensemble von „RTL Samstag Nacht“ dabei gewesen zu sein, mit den „Doofen“ zwei Million-Seller in den Charts platziert zu haben, hatte ich natürlich erstmal den Stempel „lustig“ auf allem, was ich dann anschließend so gemacht habe. Was ja erstmal absolut ok ist. Ich möchte nicht eine Sekunde missen von allem, was da über die Jahrzehnte so entstanden ist. Aber ich entwickele mich ständig weiter und betrete immer wieder Neuland, allein schon weil es mich total reizt, gewohnte Pfade zu verlasen. 6 Filme „Blind Date“ mit Anke Engelke waren die ersten wirklichen Impro-Kammerspiele im Deutschen Fernsehen, zigfach nominiert und ausgezeichnet, ebenso „Dittsche – das wirklich wahre Leben“, beides zu Beginn komplettes TV-Neuland und wahrlich keine Comedy im herkömmlichen Sinne. „Texas Lightning“, alles andere als eine Comedy-Truppe und die bislang dreizehn Filme meines TV-Zyklus beinhalten gefälschte Dokumentationen und sehr ernst daher kommende Persiflagen. Jetzt also eine düstere, dramatische Figur, da geht noch viel mehr. Also: sofort wieder.

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