Tierschutz ist für Martin Rütter absolute Herzenssache. In seiner neuen sechsteiligen Reportagereihe trifft Deutschlands bekanntester Tierpsychologe daher auf Menschen in Tierschutzeinrichtungen in ganz Deutschland, um deren Arbeit mit ihren Schützlingen und deren Alltag mitzuerleben. Sie alle sind "Martin Rütters Tierheimhelden". Kurz vor dem Start der neuen VOX-Sendung spricht der "Hundeprofi" in einem exklusiven Interview über die ersten Folgen dieses besonderen Projekts, über einen Tierarzt, der seit 25 Jahren im Beruf ist und den auch heute noch jede einzelne Einschläferung sehr bewegt; außerdem hat Martin Rütter erfahren, dass auch ausgewachsene Tiger zu einem Fall für einen Tierschutzverein werden können…
Bitte führe diesen Satz zu Ende, Martin: Wir brauchen Tierheime, …
… weil die Menschen, die dort arbeiten, mit Fachkompetenz und ihren großen Herzen dafür sorgen, dass Tiere eine zweite Chance bekommen. Deswegen rate ich den Leuten, die sich einen Hund in ihrem Leben wünschen, immer dazu, erstmal im Tierheim vorbeizuschauen. Denn dort warten viele tolle Hunde, die für eine zweite Chance sehr, sehr dankbar wären. Viele Menschen unterliegen dem Irrglauben, dass man mit einem Welpen vom Züchter automatisch vor allen Problemen dieser Welt gefeit sei. Das ist natürlich Quatsch.
Warum ist das Quatsch?
Weil es auch bei Züchtern gute und schlechte gibt. Und darüber hinaus: Selbst innerhalb eines Wurfes kann es große charakterliche Unterschiede geben. So ist der eine Welpe beispielsweise eher der Draufgänger, der forsch durchs Leben schreitet und neugierig fremde Umgebungen erkundet. Der andere dagegen gehört vielleicht eher zur introvertierten Sorte, ein Stoiker, den nichts so leicht aus der Fassung bringt. Oft haben die Leute Angst einen Tierheim-Hund zu nehmen, weil sie denken, der hat auf jeden Fall eine Schraube locker. Das ist einfach Unsinn.
Tierschutz ist für Dich Herzenssache. In Deiner neuen Sendung "Martin Rütters Tierheimhelden" steht dieses Thema deswegen im Mittelpunkt…
Ganz genau. Endlich gibt es diese Sendung, was mich wirklich total freut. Wir – und das sind in dem Fall unsere Trainerinnen Ellen Marques und Sophie Grethe sowie unser Trainer Marcel Wunderlich und ich – stellen in der Sendung Tierheime und Tierschutzprojekte vor, von denen wir sagen: Ja, deren Konzept ist irgendwie cool.
Das habt Ihr auch über das Darmstädter Tierheim gesagt. Was ist dort die Grundidee?
Hier gibt es ein ganz besonderes Konzept. Das Thema "sozial sein" steht über allem. Und das haben wir vor Ort auch genau so erlebt, was wir als sehr besonders empfunden haben. Geleitet wird das Tierheim von Christian Zentgraf, der gleichzeitig auch Tierarzt ist. Schon seit 2001 gibt es hier das Projekt "Underdog". Menschen, die keinen festen Wohnsitz haben oder in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, können sich im Tierheim vorstellen, um ihr Tier versorgen oder behandeln zu lassen. Und das ist wirklich toll. Sowas habe ich in einem Tierheim in dieser Form auch noch nicht erlebt.
Eine bemerkenswerte Initiative, aus der aber noch viel mehr entstanden ist, oder?
Das kann man so sagen. "Underdog" war so eine Art Initialzündung. Denn daraus ist dann wirklich noch so viel mehr entstanden. So schaut das Tierheim bei Neueinstellungen, dass hier Menschen zum Zuge kommen, die eine neue Chance brauchen. Menschen, die vielleicht schon das ein oder andere hinter sich, die aber einen besonderen Zugang zu Tieren haben. So arbeitete dort zum Beispiel Tierpfleger Sven, der zehn Jahre auf der Straße gelebt hat. Also für mich ist das wirklich spektakulär, dass da jemand vor dir steht und sagt: 'Ich habe zehn Jahre auf der Straße gelebt, auch Mist gebaut.' Und dieser Mensch fühlt sich jetzt wertgeschätzt und er sagt: 'Hier, das ist meine Familie.' Das hat mich sehr berührt. Ich finde, das ist ein sehr schöner Moment, wenn jemand über seinen Arbeitgeber sagt: 'Das ist für mich eine Familie.' Eine mega Aussage, eine mega Anerkennung für das Tierheim.
In "Martin Rütters Tierheimhelden" stehen neben den Tierheimen und deren Projekten also auch die Menschen, die dort arbeiten, im Mittelpunkt?
So ist es. Und das ist uns auch ganz besonders wichtig, die Gesichter hinter dem Thema Tierschutz zu zeigen. Denn mit ihnen steht und fällt ja einfach alles. Es wird also auch um Tierpflegerinnen und Tierpfleger und Tierschützende gehen. Ihre Geschichten und ihre Motivation für diesen besonderen Beruf fand ich bei den Dreharbeiten immer wieder sowas von beachtenswert.
Darmstadts Tierheimleiter Christian Zentgraf ist ein solcher Mensch.
Das ist er. Und bei ihm ist Beruf wirklich Berufung. Alles, was er tut, macht er sowas von ruhig und empathisch. Und genau das überträgt sich auf die Leute. Ein Mann, der übrigens unheimlich dafür kämpfen musste, Tierarzt überhaupt werden zu können. Mit ihm habe ich auch über das Sterben unserer Hunde gesprochen. Christian Zentgraf hat nach 17 gemeinsamen Jahren auch seine eigene Hündin selbst eingeschläfert und sagt: 'Sowas reißt einem das Herz raus, aber ich hatte das Gefühl, ich bin es ihr schuldig.' Und als er das sagte, wurde seine Stimme zitterig und seine Augen glasig. Und es ist schon interessant, dass jemand, der Tierarzt ist, der also immer wieder mit dem Tod zu tun hat, sagt: 'Es geht mir jedes Mal total nahe, wenn ich einen Hund einschläfern muss. Auch, wenn es nicht mein eigener ist, auch wenn ich weiß, dass es medizinisch notwendig ist.' Und dieses Empfinden ist sinnbildlich für das Darmstädter Tierheim. Die Leute hier sind einfach sehr, sehr empathisch – mit den Tieren, aber eben auch mit den Menschen.
Neben dem Tierheim im Darmstadt habt Ihr Euch auch anderenorts umgesehen, beispielsweise in der Wildtierstation Tierart…
…die übrigens eine Einrichtung der Tierschutz-Stiftung VIER PFOTEN ist. Hier haben wir Tierpflegerin Hannah kennengelernt. Sie erzählte mir, da waren die Kameras schon aus, dass sie sich im Alter von 21 Jahren einen Bulli gekauft und sich gesagt hat: 'Hey, die Leute gehen immer nach Südeuropa, ich will jetzt mal Osteuropa kennenlernen.' Sie ist dann mit dem Bulli einmal quer durch Polen, die Tschechische Republik, Ungarn usw. gefahren und hat dann quasi im Vorbeilaufen noch ein Tierheim in Bulgarien aufgebaut. Zum Niederknien. Wenn ich überlege, als ich so alt war, da drehte sich mein ganzer Kosmos um Mädels, Partys, Fußball, Pommes essen. Und hier fährt eine 21-Jährige los, will die Welt erkunden und macht by the way noch Tierschutz. Ich war davon so beeindruckt.
Das ist wirklich sehr beeindruckend. Gefühlt engagieren sich unheimlich viele junge Menschen in Sachen Tierschutz.
Das stelle ich auch so fest. Und ich bewundere diese jungen Menschen. Ich habe das ganz oft, dass mir junge Leute begegnen und ich denke: 'Einfach krass, was die schon alles machen und was die schon alles schaffen.' Das ist ein ganz schönes Gefühl, jungen Menschen dabei zuzusehen, wie viel Leidenschaft und Energie die haben. Und das kann ich wirklich nur den Leuten in meinem Alter empfehlen, weil ich erlebe das leider sehr, sehr häufig, die Überheblichkeit von Männern in meinem Alter – besonders Frauen gegenüber.
Neben Hunden, Katzen, Vögeln und Schafen seid ihr in "Martin Rütters Tierheimhelden" auch einem Tiger begegnet. Das war ebenfalls in der Wildtierstation Tierart.
Sogar zwei Tigern. Es waren Cara und Sahib, die in der Wildtierstation ein liebevolles und lebenswertes neues Zuhause bei tollen Menschen gefunden haben. Cara stammt – und das muss man sich mal vorstellen – aus privater Haltung und wurde 2013 bei einer Razzia in der Nähe von Neapel entdeckt. Sie war damals fünf Monate alt und in einem winzigen Betonschuppen ohne Fenster eingesperrt. Sahib ist ein ehemaliger Zirkustiger, der zwischen 2007 und 2020 den Großteil seines Lebens mit Transport und Dressur verbringen musste. Das ist einfach sowas von traurig. Die Absurdität von Zirkussen, die solche Großkatzen oder Wildtiere in der Manege vorführen, ist mir in diesen Moment nochmal sehr, sehr bewusst geworden.
Viele Menschen fragen sich immer wieder, ob das Tierheim auch der richtige Ort für diejenigen ist, die zum allerersten Mal ein Tier in ihr Leben holen wollen. Ist er das?
Für mich ganz klar ja. Ich kann jedem Anfänger nur raten: Hol dir einen Hund aus dem Tierheim. Gerade, weil er da herkommt, wo es mit den Tierschützern so viele Menschen gibt, die echt Ahnung haben. Die Tierheim-Mitarbeiter wissen, was sie tun. Da kann niemand hinkommen und direkt einen Hund mitnehmen. Zukünftige Frauchen – beziehungsweise Herrchen – und Hund müssen sich über mehrere Treffen kennenlernen. Da wird die Vorauswahl glücklicherweise sehr streng und damit verantwortungsvoll getroffen. Deswegen kann auch wirklich jeder Anfänger ohne Probleme ins Tierheim gehen. Und weil mir dieses Thema so wichtig ist, habe ich ja auch die Tierschutzkampagne "ADOPTIEREN STATT PRODUZIEREN" ins Leben gerufen. Darin geben wir Einblicke in die verschiedenen Sparten des Tierschutzes und stellen immer wieder Menschen vor, die sich engagieren. On top gibt’s jede Menge gute Tipps und Ratschläge für Menschen, die ein Tierheim-Tier bei sich einziehen lassen möchten. Am besten also mal reinschauen auf www.adoptieren-statt-produzieren.org.
"Martin Rütters Tierheimhelden" ist eine Produktion der Mina TV. Zu sehen sind alle 6 Folgen ab 11. November immer samstags um 19:10 Uhr bei VOX sowie auf RTL+.